Deutsche Justiz ermittelt zu Spionage des türkischen Geheimdienstes

Im Zusammenhang mit den Vorwürfen gegen den türkischen Geheimdienst MIT, in Deutschland Anhänger der Gülen-Bewegung ausspioniert zu haben, hat die deutsche Bundesanwaltschaft Ermittlungen gegen Unbekannt aufgenommen.

Erdogan allgegenwärtig. Ein Riesenplakat des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan auf dem Istanbuler Taksim-Platz wirbt für ein Ja - «Evet». Gemeint ist damit unter anderem die Zustimmung für das Verfassungsreferendum am 16. April, das Erdogans Machtbefugnisse ausweitet. (Bild: sda)

Im Zusammenhang mit den Vorwürfen gegen den türkischen Geheimdienst MIT, in Deutschland Anhänger der Gülen-Bewegung ausspioniert zu haben, hat die deutsche Bundesanwaltschaft Ermittlungen gegen Unbekannt aufgenommen.

Eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe sagte am Dienstag, die Untersuchungen ihrer Behörde richteten sich gegen unbekannte MIT-Angehörige. Der Ermittlungserfolg werde davon abhängen, was die deutschen Spionageabwehrbehörden mitteilten.

Die Schweizerische Bundesanwaltschaft hatte ihrerseits bereits am 16. März ein Strafverfahren wegen Verdachts auf politischen Nachrichtendienst eröffnet – ebenfalls im Zusammenhang mit Vorfällen im Umfeld der türkischen Gemeinde.

Der türkische Geheimdienst MIT hatte laut «Süddeutscher Zeitung» sowie West- und Norddeutschem Rundfunk am Rande der Sicherheitskonferenz in München im Februar eine Liste mit rund 300 Namen, Adressen, Telefonnummern und teilweise Fotos von angeblichen Unterstützern der Bewegung des Geistlichen Fethullah Gülen an den Präsidenten des deutschen Bundesnachrichtendiensts (BND), Bruno Kahl, übergeben.

Dieser gab sie demnach an die Bundesregierung in Berlin, an den Verfassungsschutz – den deutschen Inlandsnachrichtendienst -, das Bundeskriminalamt sowie die Polizeibehörden der Länder weiter.

«Paranoide Verschwörungsangst»

«Es steht fest, dass der türkische Geheimdienst MIT hier in Deutschland lebende Menschen ausforscht», sagte der niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius am Dienstag in Hannover. In der türkischen Regierung herrsche offensichtlich «eine fast schon paranoid zu nennende Verschwörungsangst» vor.

Der Wunsch Ankaras sei es gewesen, «von den deutschen Behörden Unterstützung bei der Beobachtung und Ausforschung dieser Menschen hier zu bekommen», sagte Pistorius. Dies sei «erfreulicherweise ausgeblieben».

In den Bundesländern gehen in der Regel Polizeibehörden auf die in der Liste erwähnten Personen und Institutionen zu, um sie über den Spionageverdacht zu informieren.

Der niedersächsische Verfassungsschutz habe die Betroffenen gewarnt, da ihnen bei einer Einreise in die Türkei möglicherweise Repressalien bis hin zur Verhaftung drohen könnten, sagte Pistorius.

De Maizière warnt Türkei

Der deutsche Innenminister Thomas de Maizière warnte die Türkei ausdrücklich vor weiteren Ausforschungen: «Spionageaktivitäten auf deutschem Boden sind strafbar und werden von uns nicht geduldet», sagte er am Dienstag im Bayrischen Rundfunk. Das gelte für alle Länder. Deutschland habe dies der Türkei schon «mehrfach gesagt».

«Unabhängig davon, wie man zur Gülen-Bewegung steht, hier gilt deutsches Recht, und hier werden nicht Bürger, die hier wohnen, von ausländischen Staaten ausspioniert», sagte de Maizière. Die MTI-Listen müssten natürlich im einzelnen überprüft werden.

Die Linken-Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen forderte, die Regierung von Kanzlerin Angela Merkel müsse «ihre Haltung des Gewährenlassens umgehend aufgeben» und handeln. «Die Bundesregierung muss endlich das Spitzelnetzwerk Erdogans in Deutschland zerschlagen.» Erdogan habe Deutschland und Europa «zu seiner Kampfzone für die Diktatur in der Türkei» gemacht, sagte Dagdelen, die selber türkisch-kurdische Wurzeln hat.

BND bezweifelt Rolle der Gülen-Bewegung

BND-Chef Kahl hat unterdessen Zweifel geäussert, dass die Gülen-Bewegung hinter dem Putschversuch in der Türkei im vergangenen Jahr steckt.

Der Verfassungsschutz sieht das genauso: Bislang sei die Regierung in Ankara jeglichen Beweis für ihre Vorwürfe gegen die Anhänger der Gülen-Bewegung schuldig geblieben, sagte der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maassen, der Nachrichtenagentur dpa.

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