Welche Ziele in Europa sollte der deutsche Auslandsnachrichtendienst BND für die Kollegen vom US-Geheimdienst NSA ausspähen? Das steht in einer Liste, die im Kanzleramt unter Verschluss ist.
Während das Parlament auf Aufklärung dringt, lässt die Regierung den Bundestag zappeln. Zunächst will die Regierung das Ende von Konsultationen mit den USA abwarten. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Mittwoch, die notwendigen Entscheidungen würden nach Abschluss der Konsultationen mit den amerikanischen Partnern getroffen.
«Ich kann Ihnen nicht sagen, ob das morgen ist, oder an einem anderen Tag», so Seibert. An (morgigen) Donnerstag will der parlamentarische NSA-Untersuchungsausschuss weiteres Licht in die Affäre bringen.
Deutschlands Innenminister Thomas de Maizière sagte vor einem Auftritt im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) des Bundestags, die Regierung «im Ganzen» werde über die Freigabe der Listen entscheiden. Während Kanzlerin Angela Merkel auf die Konsultationen mit den USA verwiesen hatte, hatte der sozialdemokratische Vize-Kanzler Sigmar Gabriel gefordert, dass die Parlamentarier rasch Akteneinsicht nehmen können.
Was wusste De Maizière?
De Maizière war von 2005 bis 2009 Kanzleramtschef. In dieser Zeit war dem Bundesnachrichtendienst (BND) aufgefallen, dass er vom US-Geheimdienst NSA Suchkriterien zur Ausspähung von Daten bekommen hatte, die zu europäischen Institutionen führen. Auch der Vorwurf der Hilfe des BND bei US-Wirtschaftsspionage in Europa steht im Raum.
Anders als in Medien berichtet habe er als Kanzleramtsminister im Jahr 2008 nichts über Suchbegriffe des US-Geheimdienstes NSA zum Zwecke der Wirtschaftsspionage erfahren, sagte De Maizière nach der Befragung in Berlin. Es seien von US-Seite auch keinerlei Firmennamen zur Spionage genannt worden.
Der Wunsch der Amerikaner, die Kooperation beider Geheimdienste auszuweiten, sei zudem abgeschlagen worden. «Von daher bleibt von den gegen mich erhobenen Vorwürfen nichts übrig», fügte der CDU-Politiker hinzu.
Das Kanzleramt hatte sich vergangene Woche an die USA gewandt, um zu klären, wie mit den sogenannten Selektoren umgegangen werden kann. Dabei handelt es sich etwa um IP- oder Mail-Adressen, die die NSA dem BND zur Datenabschöpfung übermittelte.
Eigentlich soll dies dem Anti-Terror-Kampf dienen. Seit 2008 hatte der BND rund 40’000 NSA-Suchmerkmale aussortiert und in einer Liste gespeichert.
Aufklärung gefordert
Die Opposition forderte am Mittwoch im Bundestag erneut Klarheit über das Ausmass der deutsch-amerikanischen Geheimdienstzusammenarbeit. «Packen Sie jetzt alle Karten auf den Tisch», sagte Linken-Fraktionsvize Jan Korte an die Adresse der Bundeskanzlerin. Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele sagte, Merkel müsse ihre Aussage korrigieren, es gebe keinerlei Wirtschaftsspionage in Deutschland durch den US-Geheimdienst NSA.
Medienberichten zufolge spähten die Nachrichtendienste womöglich auch Behörden in Österreich aus. Am Dienstag erstattete die österreichische Regierung deswegen Anzeige gegen Unbekannt und verlangte ebenfalls Erklärungen von der deutschen Regierung.
Diese Probleme teilt die Schweiz laut Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga nicht: «Wir haben in der Schweiz keine Informationen über solche Aktivitäten», sagte sie am Rande ihres Besuchs in Wien. Die Schweizer Bundesanwaltschaft wollte sich auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda nicht dazu äussern.