Der deutsche Bundestag hat am Freitag der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Gastredner für den 67. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz war der Holocaustüberlebende Marcel Reich-Ranicki.
Der Literaturkritiker Reich-Ranicki erinnerte in seiner Rede an die Deportation der Juden aus dem Warschauer Ghetto ins Vernichtungslager Treblinka im Sommer 1942. Was die Nationalsozialisten als „Umsiedlung“ der Juden bezeichneten, sei tatsächlich eine Aussiedlung aus Warschau gewesen. „Sie hatte nur ein Ziel, sie hatte nur einen Zweck: Den Tod“, sagte der 91-Jährige.
Reich-Ranicki wurde 1920 in Polen geboren und ging später in Berlin zur Schule. 1938 wurde er wie tausende andere polnische Juden nach Polen deportiert und 1940 im Warschauer Ghetto eingesperrt.
Dort heiratete er 1942 auch seine im April vorigen Jahres verstorbene Frau Teofila. 1943 gelang den beiden die Flucht aus dem Ghetto. 1958 siedelten sie aus Polen in die Bundesrepublik Deutschland über.
Mahnung von Lammert
Am Tag, an dem weltweit der Opfer des Nationalsozialismus gedacht wurde, nahm auch der Neonazi-Untersuchungsausschuss seine Arbeit auf, den der Bundestag am Donnerstag beschlossen hatte. Er soll mögliche Pannen der Sicherheitsbehörden bei der im vergangenen Herbst aufgedeckten Neonazi-Mordserieden aufklären.
Auch Bundestagspräsident Norbert Lammert war zur Eröffnung der Bundestagssitzung auf die Morde eingegangen. Diese Gewalt und dieser Hass seien nicht zu akzeptieren, sagte er.
Der Parlamentspräsident wies auch darauf hin, dass nach aktuellen Untersuchungen 20 Prozent der Deutschen latent antisemitisch eingestellt seien. „Das sind in Deutschland genau 20 Prozent zu viel“, sagte er. Zugleich würdigte Lammert die Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren. „Es sind Menschen, die ein Beispiel geben und Mut machen“, sagte er.
An der Gedenkveranstaltung nehmen auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundespräsident Christian Wulff und Bundesratspräsident Horst Seehofer teil.
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, würdigte derweil das Gedenken an die Opfer der NS-Zeit als vorbildlich. Mit Blick auf die Feierstunde im Bundestag sprach Graumann von einem wichtigen Signal, das im Ausland und gerade in Israel positiv aufgenommen werde.
Norwegen entschuldigt sich
Norwegen nahm den Gedenktag zum Anlass, sich erstmals für die Beteiligung des Landes an der Deportation und Tötung von Juden während der Nazi-Besatzung zu entschuldigen. „Norweger nahmen die Verhaftungen vor, Norweger fuhren die Lastwagen und es geschah in Norwegen“, sagte Ministerpräsident Jens Stoltenberg am Freitag.