Das deutsche Parlament hat der Verlängerung des Hilfsprogramms für Griechenland mit überwältigender Mehrheit zugestimmt. 541 Abgeordnete aus allen vier Fraktionen billigten am Freitag den Aufschub um vier Monate, 32 stimmten dagegen, 13 enthielten sich.
Die neue Regierung in Athen habe «sehr viel Vertrauen zerstört», sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble am Freitag. Schliesslich habe sie sich aber «ohne jede Einschränkung» zum Reformprogramm bekannt. Mit dem Bundestagsbeschluss seien noch keine neuen Milliardenüberweisungen der Euro-Länder nach Athen verbunden.
Zuvor müsse die neue Regierung mit den drei «Troika»-Institutionen EU, IWF und EZB einen Reformplan vereinbaren und umsetzen. Nach wochenlangem Streit mit den Gläubigern hatte die griechische Regierung diese Woche erste Vorschläge gemacht. Ohne die Fristverlängerung wäre das Hilfsprogramm am Samstag um Mitternacht ausgelaufen – das seit 2010 mit 240 Milliarden Euro gestützte Land wäre nahe an die Pleite gerückt.
«Solidarität hat auch etwas mit Verlässlichkeit und gegenseitiger Rücksichtnahme zu tun», mahnte Schäuble in Richtung Athen: «Solidarität heisst nicht, dass man einander erpressen kann.» In anderen Ländern des Euro-Währungsgebiets sei ausserdem der Lebensstandard niedriger als in Griechenland.
Breiteste Mehrheit seit 2009
Weil die Grünen und – erstmals in der Euro-Rettungspolitik – auch die Linken mit der Koalition stimmten, kam im Bundestag die breiteste Mehrheit seit Beginn der Krise 2009 zusammen.
Linken-Fraktionschef Gregor Gysi sagte, das Votum der Linken dürfe nicht mit einem Ja zur gescheiterten Sparpolitik verwechselt werden: «Aber es ist eine Zustimmung dafür, dass Griechenland eine Atempause bekommt, eine Chance für einen Neuanfang.»
Der Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte: «Wir erwarten, dass der neuen Regierung wenigstens eine kleine Chance gegeben wird.» Ein mögliches drittes Hilfspaket müsse so gestaltet werden, dass am Ende ein stabiles und wohlhabendes Griechenland stehe.
Auch Estland stimmte der Verlängerung des Hilfspakets um vier Monate zu. Trotz einiger Diskussionen sei ein einstimmiger Konsens erzielt worden, sagte ein Parlamentssprecher der Nachrichtenagentur dpa. Estland gilt als Budget-Musterschüler der EU und der Euro-Zone.
Finanzminister Gianis Varoufakis bekräftigte am Freitag, Athen wolle nun eine neues Abkommen über seine hohen Schulden. Griechenland und die Europartner würden künftig über eine Umstrukturierung der griechischen Schulden reden, sagte Varoufakis im griechischen Fernsehen Antenna.
Tsipras mit Gegenwind
Appelle an die Regierung in Athen kamen von der EU-Kommission. Währungskommissar Pierre Moscovici sagte dem Deutschlandfunk: «Griechenland muss seine Verpflichtungen gegenüber den europäischen Partnern und dem Internationalen Währungsfonds zwingend halten.» Griechenland müsse in der Euro-Zone bleiben: «Wenn ein Land, welches auch immer, ausscheidet, wird sich die Frage stellen, wer verlässt sie als nächster.»
Wegen der Reformzusagen kam es in Athen erstmals seit dem Regierungswechsel zu einer Demonstration gegen die Tsipras-Regierung. Dutzende Vermummte lieferten sich im Zentrum der Hauptstadt Auseinandersetzungen mit Bereitschaftspolizisten, schlugen Schaufenster ein, warfen Brandsätze und setzten Autos in Brand.
Die Verlängerung des verhassten Reformprogramms wird auch in den Reihen der Syriza kritisiert. Tsipras war mit dem Versprechen angetreten, die Gläubiger-Auflagen aufzukündigen, Gelder in einen Aufschwung der Wirtschaft zu investieren und der verarmten Bevölkerung unter die Arme zu greifen.