Wohl niemand hat das zeitgenössische deutsche Theater mit so vielen und so unterschiedlichen Stücken bereichert wie Tankred Dorst. Er schrieb bis zum Schluss. Am Donnerstag ist der Dramatiker mit 91 Jahren in Berlin gestorben.
Das teilte der Suhrkamp Verlag mit. In seinen mehr als 50 Stücken hat sich der vielfach preisgekrönte Autor auf unterschiedlichste Weise mit den Fragen der menschlichen Existenz auseinandergesetzt.
Grosse Regisseure wie Peter Zadek, Peter Palitzsch, Dieter Dorn und Hans Neuenfels arbeiteten eng mit ihm zusammen. 2006 gab der gebürtige Thüringer, bereits 80-jährig, mit einer Neuinszenierung von Wagners «Ring» in Bayreuth sein Debüt als Opernregisseur – allerdings von Buh-Rufen begleitet.
Als Dorsts schönstes und grösstes Drama gilt «Merlin oder Das wüste Land». Sein Panoptikum um den Zauberer und Teufelssohn Merlin besticht bis heute mit seiner bildreichen Sprache. Immer wieder fühlen sich namhafte Bühnen von dem 1981 am Düsseldorfer Schauspielhaus uraufgeführten achtstündigen Monumentalwerk aus der König-Artus-Welt herausgefordert.
Enge Zusammenarbeit mit Peter Zadek
Dorst wurde 1925 in Oberlind bei Sonneberg in Thüringen als Sohn eines Fabrikanten geboren. Nach der Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft 1947 studierte er zunächst Germanistik und Theaterwissenschaften. Den Weg zum Theater fand er über eine studentische Münchner Marionettenbühne, für die er seine ersten Stücke schrieb.
Seit Anfang der 70er Jahre arbeitete er künstlerisch eng mit seiner Lebensgefährtin und späteren Frau Ursula Ehler zusammen, die ihm auch bei der Arbeit am «Ring» in Bayreuth zur Seite stand. Bereits 1960 hatte die lange, fruchtbare Zusammenarbeit mit Peter Zadek begonnen, aus der auch Fernsehfilme wie «Rotmord» und der «Der Pott» hervorgingen.
In seiner Arbeit entzog sich Dorst stets der Einordnung in feste Kategorien. Er griff mythische oder historische Stoffe auf, schrieb Märchenstücke und Parabeln und reagierte auch auf aktuelle politische Entwicklungen.
Zu seinen bekanntesten Werken neben «Merlin» zählen das Revolutionsdrama «Toller» (1968 uraufgeführt), die Trilogie «Auf dem Chimborazo»/«Die Villa»/«Heinrich oder Die Schmerzen der Fantasie» (1975-1985) sowie die Stücke «Karlos» (1990) und «Herr Paul» (1994).
Zwischen Optimismus und Pessimismus
1999 wurde in München das unter dem Eindruck des Bosnienkrieges geschriebene Stück «Grosse Szene am Fluss» uraufgeführt. Im Februar 2005 feierte der Dramatiker mit der Uraufführung seines Dramas «Wüste» in Dortmund einen weiteren Erfolg – ein Meisterwerk voller Altersweisheit, Nachdenklichkeit, Skepsis und Humor.
«Ich selbst schwanke zwischen Optimismus und Pessimismus», sagte Dorst einmal. «Jeder Mensch hat eine persönliche Utopie, wie das Leben sein sollte, und erlebt dann eine Enttäuschung, dass es nicht so ist.»