Der deutsche Ex-Bundespräsident Christian Wulff hat zu Beginn des Korruptionsprozesses in Hannover am Donnerstag alle Vorwürfe vehement zurückgewiesen und Ermittlern eine Hetzjagd gegen ihn vorgeworfen. Er kämpft für einen Freispruch auf ganzer Linie.
«Ich bin mir ganz sicher, dass ich auch den allerletzten Vorwurf ausräumen werde, weil ich mich immer korrekt verhalten habe im Amt», erklärte der 54-Jährige. Rund anderthalb Jahre nach seinem Rücktritt als Staatsoberhaupt muss Wulff sich wegen Vorteilsannahme verantworten – ein bisher einmaliger Vorgang in Deutschland.
Die Staatsanwaltschaft wirft Wulff vor, sich 2008 als niedersächsischer Ministerpräsident korrupt verhalten zu haben, als er sich von dem Filmproduzenten David Groenewold zu einem Besuch beim Oktoberfest einladen liess.
Konkret geht es um eine Summe von rund 720 Euro, die der Unternehmer für Wulff und seine Frau Bettina bezahlte. Der Ex-Bundespräsident betonte im Prozess, er habe erst Anfang 2012 erfahren, dass Groenewold für ihn diese Kosten übernommen habe.
«Persönliche Schäden»
Wulff unterstrich in einer 45-minütigen Erklärung seine enge private Nähe zu Groenewold. «David Groenewold ist mein Freund», betonte er. Der 40-jährige Unternehmer ist mit angeklagt, ihm wird Vorteilsgewährung vorgeworfen.
Wulff betonte, dass er in seinen Ämtern stets auf eine strikte Trennung zwischen Berufs- und Privatleben geachtet habe. Gleichzeitig kritisierte er die Verletzung seiner Privatsphäre. «Die persönlichen Schäden, die meine Familie und ich erlitten haben, werden bleiben. Wahrscheinlich ein Leben lang», sagte Wulff.
Die Verlesung der Anklage dauerte nur wenige Minuten. Der Oberstaatsanwalt führte aus, dass er nicht nur eine Verurteilung Wulffs wegen Vorteilsannahme, sondern sogar wegen Bestechlichkeit für möglich hält.
Laut Strafgesetzbuch könnte Wulff bis zu drei Jahre Haft bekommen, wahrscheinlich ist aber höchstens eine Geld- oder Bewährungsstrafe. Die Verteidigung erwartet dagegen einen klaren Freispruch. Es dürfe nichts hängen bleiben, betonte Anwalt Bernd Müssig.
Ziel: Rehabilitatierung
Wulff räumte im Prozess ein, er habe zwar 2008 bei Siemens-Chef Peter Löscher für das Filmprojekt «John Rabe» geworben, das sein Freund finanziert habe. Das habe er aber getan, weil ihn das Thema beeindruckt habe und der heldenhafte Einsatz von John Rabe, der in der Nazizeit vielen Menschen das Leben gerettet habe.
Groenewold habe von seinem Verhalten keinen Vorteil gehabt. Wulffs Verteidiger Michael Nagel erklärte, die Hypothese sei absurd, dass Wulff sich «für einen Freund wegen ein paar hundert Euro gefällig gezeigt» haben solle. Das Verfahren dürfe nicht weiter Gefahr laufen, zu einem Schauspiel zu werden.
Nach Abschluss der Ermittlungen hatte die Staatsanwaltschaft Wulff im März angeboten, das Verfahren gegen 20’000 Euro Geldauflage einzustellen. Groenewold hätte 30’000 Euro zahlen sollen. Beide lehnten aber ab, sie wollen eine komplette Rehabilitatierung.
Hotelmitarbeiter als Zeugen
Im Zuge der akribischen Untersuchungen der Justiz hatte sich herausgestellt, dass fast alle Vorwürfe gegen Wulff bis auf die Kostenübernahme beim Oktoberfest strafrechtlich bedeutungslos waren. Das Landgericht Hannover hat für den Prozess weitere 21 Verhandlungstage bis Anfang April 2014 angesetzt.
Der Richter beendete den ersten Prozesstag nach fast drei Stunden. Am nächsten Donnerstag wird das Verfahren mit der Vernehmung der ersten vier Zeugen fortgesetzt. Dabei handelt es sich um Mitarbeiter des Hotels «Bayerischer Hof» in München, wo die Wulffs während ihres Oktoberfestbesuches übernachteten.