Wenige Stunden nach seiner gewaltsamen Gefangennahme durch einen Trupp von Soldaten hat der malische Regierungschef Cheick Modibo Diarra den Rücktritt der gesamten Regierung bekanntgegeben. Eine Begründung für die Entscheidung gab er nicht an.
„Ich trete mit meiner Regierung zurück“, sagte Diarra am Dienstagmorgen in einer kurzen Erklärung im staatlichen Fernsehen. Der Regierungschef war in der Nacht von Soldaten festgenommen worden, die aus der Militär-Garnison Kati zu seiner Wohnung in der Hauptstadt Bamako kamen.
Der Trupp habe die Eingangstür von Diarras Haus „demoliert“ und den Regierungschef „ziemlich brutal“ behandelt, sagten die Mitarbeiter des bisherigen Regierungschefs. Diarra wollte den Angaben zufolge in der Nacht nach Frankreich reisen, um sich in Paris einem Gesundheits-Check zu unterziehen.
Er habe zuvor eine kurze Fernseh-Ansprache aufgenommen. Die Aufnahme sei jedoch vom Militär beschlagnahmt worden. Militärsprecher Bakary Mariko sagte, Diarra sei gefasst worden, als er versucht habe, nach Frankreich zu reisen. „Er wollte das Land verlassen, nachdem er Unruhe gestiftet hatte.“
Der 60-jährige Astrophysiker Diarra war weit über die Landesgrenzen hinaus als Wissenschaftler bekannt. Er arbeitete früher an Weltraumprojekten der US-Raumfahrtbehörde NASA mit. Später vertrat er den Internet-Riesen Microsoft in Afrika.
Im Auftrag von Sanogo
Die Militärs sagten, sie handelten im Auftrag von Hauptmann Amadou Haya Sanogo. Sanogo war bereits an einem Putsch im März beteiligt, bei dem der langjährige Präsident Amadou Toumani Touré gestürzt wurde.
In dem Machtvakuum nach dem Putsch gelang es Tuareg-Rebellen und mit ihnen verbündeten Islamisten innerhalb weniger Tage, den gesamten Norden des Landes unter ihre Kontrolle zu bringen. Danach setzten sich jedoch die Islamisten durch und vertrieben die Tuareg aus allen grösseren Orten.
Wegen der Unruhen sind nach UNO-Angaben fast 350’000 Menschen auf der Flucht. Etwa 200’000 von ihnen seien innerhalb des Landes vertrieben worden, sagte Flüchtlingskommissar António Guterres am Montag im UN-Sicherheitsrat. Noch einmal mehr als 140’000 hätten in Nachbarländern Schutz gesucht.
Streit um Militäreinsatz
Diarra hatte sich wiederholt dafür ausgesprochen, eine internationale Militärtruppe solle gegen die Islamisten im Norden einschreiten. Offiziell übergab Hauptmann Sanogo zwei Wochen nach dem Putsch vom März die Macht wieder an eine zivile Regierung, faktisch aber behielt er in Bamako erheblichen Einfluss.
Sanogo sprach sich gegen den Plan zur Stationierung ausländischer Soldaten in Mali aus. Nach dem letzten Stand wollte die westafrikanische Staatengemeinschaft ECOWAS im Auftrag der UNO 3300 bis 5000 Mann nach Mali entsenden.
EU will Ausbilder schicken
Erst am Montag hat auch die Europäische Union offiziell mit der Planung für einen Militäreinsatz in Mali begonnen. Sie will zwischen 200 und 250 Militärausbilder in die Hauptstadt Bamako schicken, sagten Diplomaten.
Die EU-Aussenminister beschlossen in Brüssel ein Krisenmanagement-Konzept, das die Grundlage für die Einsatzplanung bildet. Der Beschluss zur Entsendung der EU-Militärs folgt später. Die Ausbilder der EU sollen die Streitkräfte Malis wieder in die Lage versetzen, für die Sicherheit im Lande zu sorgen.