Festivalstart im Zeichen starker und politischer Frauen: Bundesrätin Simonetta Sommaruga hat am Donnerstag die 52. Solothurner Filmtage eröffnet. Passend zum Eröffnungsfilm über das Schweizer Frauenstimmrecht begleiteten sie zwei Parlamentarierinnen der ersten Stunde.
Gabrielle Nanchen und Hanna Sahlfeld-Singer, beide ehemalige sozialdemokratische Politikerinnen, gehörten nach der nationalen Einführung des Frauenstimmrechts 1971 zu den ersten Frauen im Nationalrat. Mit der SP-Bundesrätin schritten sie am Donnerstagabend als Vertreterinnen einer neuen Ära der Schweizer Politik über den roten Teppich vor der Solothurner Reithalle.
Sommaruga nahm das Thema des Eröffnungsspielfilms von Petra Volpe, «Die göttliche Ordnung», denn auch in ihrer Rede auf: An diesem Tag begegneten sich «Kultur, Geschichte und Gegenwart». Zu der Zeit, in der Volpes Film spielt, wäre undenkbar gewesen, was heute Fakt sei: Dass die Filmtage, die Eröffnung und der Eröffnungsfilm allesamt von Frauen verantwortet würden.
Gleichzeitig erinnerte die Bundesrätin daran, wie weit die effektive Gleichberechtigung in der Ferne liegt: Noch immer verdiene die Frau durchschnittlich 9 Prozent weniger als der Mann. «Das verstösst gegen die Verfassung – und zwar seit 35 Jahren – ist aber bis heute ‚göttliche Ordnung‘ geblieben.» Auch dass weniger als ein Viertel aller Filmsubventionen an Frauen gehen, kritisierte Sommaruga.
Filmtage-Direktorin Seraina Rohrer nahm ihrerseits in ihrer – gewohnt witzigen – Ansprache Bezug auf «Die göttliche Ordnung». Sie sei froh, dürften Frauen heute sogar Drehbücher schreiben, Regie führen und Filme produzieren. «Sie sind zwar immer noch in der Minderheit und machen es etwas günstiger als ihre männlichen Kollegen, aber auch das wird sich noch ändern.»
Ein Landei kämpft für Gleichberechtigung
«Die göttliche Ordnung» ist eine Comédie humaine, in deren Zentrum die junge Appenzeller Mutter und Hausfrau Nora (Marie Leuenberger) steht, die sich 1971 in ihrem kleinen Dorf für das Frauenstimmrecht stark macht.
Die 46-jährige Filmemacherin Volpe, die 2015 das «Heidi»-Drehbuch verantwortete, stellt dabei nicht die historischen Fakten des langen Wegs zum Frauenstimmrecht ins Zentrum, sondern die persönliche Geschichte einer jungen Frau, die allen Widerständen zum Trotz für Gleichberechtigung kämpft. Sie habe in erster Linie die Atmosphäre der damaligen Zeit treffen wollen, erklärt Volpe zu ihrem Film, der auch um den «Prix de Soleure» kämpft.
Das ist der Regisseurin gelungen, wenn auch die Geschichte um das hochpolitische Thema streckenweise etwas absehbar ist und gar leicht daher kommt. Die Filmtage zeigen «Die göttliche Ordnung» nochmals am Montag, 23. Januar. In den Kinos startet der Spielfilm am 9. März.
Die Menschen hinter den Filmen
Nach dem Auftakt zum filmischen Reigen warten die Filmtage mit 179 Lang- und Kurzfilmen auf, zahlreiche von ihnen werden zum ersten Mal vor Publikum gezeigt. Bereits am Freitag stehen mit den Premieren der beiden Dokfilme «Das Mädchen vom Änziloch» (Alice Schmid) und «Unerhört jenisch» (Karoline Arn und Martina Rieder) zwei weitere Höhepunkte auf dem Programm.
Im Fokus stehen an den Filmtagen nicht nur die Filme, sondern auch die Menschen dahinter. Im Programm «Rencontre» stellen die Filmtage den Sound-Designer François Musy vor. Seit 30 Jahren sorgt der Freiburger Tonmeister für die passenden Klänge in Filmen von Regiestars wie Jean-Luc Godard oder Jean-Jacques Annaud.
Geehrt wird auch die Tessiner Produzentin Tiziana Soudani. Sie erhält den «Prix d’honneur» überreicht. Soudani produzierte etwa «Pane e tulipani» von Silvio Soldini oder «Le meraviglie» von Alice Rohrwacher.
Die Filmtage enden am 26. Januar mit der Verleihung des «Prix de Soleure» (60’000 Franken) und des «Prix du Public» (20’000 Franken). Den letztjährigen «Prix de Soleure» gewann mit Eva Vitija im Übrigen eine Frau.