Was hat uns im Basler Kulturjahr 2011 bewegt? Die TagesWoche präsentiert sieben regionale Kultur-Happenings, die in bester Erinnerung geblieben sind.
Was hat uns im Basler Kulturjahr 2011 bewegt? Die TagesWoche präsentiert regionale Kultur-Happenings, die uns in besonders guter Erinnerung bleiben. Wie immer in dieser Rubrik müssen wir uns auf sieben Beispiele beschränken. Die Reihenfolge ist zufällig. Wer ist Ihr Favorit, Ihre Favoritin in dieser Shortlist? Gerne dürfen Sie kommentieren.
1. Ralf König im Cartoonmuseum
Ralf König im Cartoonmuseum. (Bild: Cartoonmuseum)
Im Juni erlebte das Basler Cartoonmuseum ungewöhnlich viel Rummel: Grund war ein majestätischer Besuch: Ralf König, Deutschlands erfolgreichster Comiczeichner, weihte eine Sonderausstellung ein, die sich sehen lassen konnte: Eine Retrospektive, in der umfassend Einblick in das 30-jährige Schaffen des Zeichners und Erzählers gegeben wurde. «Als ich zu zeichnen begann, war ich schon nur glücklich, wenn meine Comics auf WG-Klos rumlagen», erzählte er vor der Vernissage. «Dass sie jetzt gerahmt an Wänden hängen … das macht mich stolz. Das sagt ja nicht nur etwas über die Zeichnungen aus, sondern auch über unsere Gesellschaft.» Das zeige nicht nur dass diese Kunstform an sich, sondern insbesondere auch schwule Comics akzeptiert seien, erläuterte König. Zu sehen waren nebst Raritäten auch Originalzeichnungen seiner Klassiker, etwa der Horrorsatire «Das Kondom des Grauens» oder der Beziehungskomödie «Der bewegte Mann».
2. Anna Aaron in der Kaserne
Es war das Jahr der Basler Annas: Die erste prägte im Frühjahr mit glockenheller Stimme und goldenen Löckchen ihr Image als Rossinelli-Rauschgoldengel der Schweiz, fuhr damit nach Düsseldorf, schaffte es bis in den Final des ESC – wurde da aber schliesslich Letzte. Die zweite lief mit «Dogs in Spirit» im Herbst zur Höchstform auf, lieferte bei ihrer Doppel-Plattentaufe als düsterer Racheengel zweimal vor ausverkauftem Haus eine sensationelle Performance ab, und krönte ihr Jahr mit dem «Double» beim Basler Pop-Preis, wo sie sowohl beim Jury- wie auch beim Publikumsvoting ihre männliche Konkurrenz auf die hinteren Ränge verwies. Was lernt man daraus? Gute Mädchen kommen an den ESC, böse Mädchen überallhin.
3. Eröffnung auf dem Dreispitz
Eröffnung an der Oslostrasse Ende Mai 2011. (Bild: zVg)
Seit Jahren wartete man darauf: Dass auf dem Dreispitz endlich die so lange angekündigte Kunst einziehe. Anfang Jahr war es dann soweit: Das Haus für elektronische Künste, die iaab-Ateliers, das Fotoatelier Brügger, die Galerie Oslo8 und der Kunstraum Oslo10 – sie alle zogen ein und feierten Ende Mai gemeinsam Eröffnung. Und die Leute strömten hin, steckten ihre Nasen neugierig in all die weiss getünchten Räume. Man lachte, trank, ass und tratschte. Man machte Party. In den frühen Morgenstunden verliessen die Letzten das Gelände – und blieben weg. Denn so gross das Interesse am Anfang war, so schnell flaute es auch wieder ab. So richtig strahlt das Dreispitz noch nicht in die Stadt aus, nur wenn Vernissagen oder Parties gefeiert werden, dann kommen die Leute. Das wird sich möglicherweise ändern, sobald auch die Kunsthochschule als Nachbar einzieht. Bis dahin gibts wohl nur eines: Parties feiern, soviele wie möglich. Um das Industriegelände zum Leben zu erwecken.
4. Art Parcours
Federico Herreros «River Bank», Teil des Art Parcours 2011. (Bild: ArtBasel)
Es hatte Tradition: Während der «Art Basel» wurden einige grossformatige Kunstwerke immer auf dem Messeplatz präsentiert – öffentlich, für alle sichtbar. Dann begann man damit, den Messeplatz umzubauen, und für Kunst war plötzlich kein Platz mehr. Im Juni 2011 machte die «Art Basel» deshalb aus der Not mehr als nur eine Tugend und richtete den «Art Parcours» im St. Alban-Tal ein. Das Publikum war begeistert. Nicht nur, weil hier wunderbare Kunst gezeigt wurde, sondern auch, weil diese an Orten stattfand, zu denen die Basler Bevölkerung sonst kaum Zugang hat. Beispielsweise konnte man im Brunnwerk-Gewölbe an einer Hawaii-Bar einen Drink schlürfen, in der St. Alban-Kirche wandelte man über Gold, und die vier Fischerhütten oberhalb der Wettsteinbrücke erhielten ein farbiges Kleid. Ein rundum gelungener Rundgang, wir bitten für 2012 um mehr davon!
5. Lovebugs & Sinfonieorchester Basel
Pop-Songs im Cinemascope-Format: Das Sinfonieorchester Basel spannte im Februar für drei Konzerte mit den Lovebugs zusammen. Ein aufwändiges Unterfangen, das sich die beiden Basler Vorzeige-Formationen vorgenommen hatten. Die Neugierde war gross, Skepsis angebracht: Ob die heikle Mission, zwei musikalische Welten zusammenzuführen, aufgehen würde? Die Antwort: Jawoll. Im Stadtcasino wurde man Zeuge einer Win-Win-Win-Situation: Für die Band, das Orchester und die insgesamt 4000 Besucher, die sich auf dieses Experiment eingelassen hatten. Wie die Popsongs des Quintetts mit ausgetüftelten Arrangements unter der Leitung des britischen Dirigenten Robert Emery in sinfonische Sphären katapultiert wurden, war ein Lehrstück in Sachen Crossover.
5. Kulturpreise an Matthyas Jenny und Mandel
Fast zeitgleich verliehen im November Basel-Stadt und Baselland ihre diesjährigen Kulturpreise. Der Zufall wollte es, dass beide an Machertypen vergeben wurden, die sich durch Bescheidenheit auszeichnen und denen etwas Rebellisches anhaftet: Verleger, Buchhändler und Veranstalter Matthyas Jenny (66, Foto) durfte seinen Preis im Basler Rathaus von Regierungspräsident Guy Morin entgegennehmen. Der Veranstalter Norbert Mandel, der in Pratteln seit über 15 Jahren die grösste Konzerthalle der Region betreibt (Z7), wurde von Regierungsrat Urs Wüthrich geehrt.
7. Heiko Vogel
Der Anzug sass jeweils perfekt, der Dreitagebart sowieso. Dann war Thorsten Fink plötzlich Knall über Fall weg. Und der FC Basel präsentierte diesen Heiko Vogel als Interimslösung. Einen, der bislang nur bei den Junioren Cheftrainer gewesen war und seither Assistent. Einen, der in seinen 36 Lebensjahren nur wenig Zeit damit verbracht hatte, Krawatten zu knoten und ein wenig verloren aussah, als er sich von Amtes wegen in der Champions League in feines Tuch kleiden musste. Aber hat es uns nicht schon Mutter erklärt (und wenn nicht Mutter, so mindestens jeder zweite Hollywood-Film)? Auf die inneren Werte kommt es an. Und wer den FCB in die Achtelfinals der Champions League führt, wer an der Spitze der Super League steht sowie im Cup-Viertelfinal und bei all dem Hype um ihn herum einfach sich selber bleibt, der erobert die Herzen dieser Stadt im Sturm. Schön und gut, mögen einige sagen, aber stand im Titel dieses Artikels nicht etwas mit Kulturereignissen? Ihnen sei mit Ivan Ergic geantwortet: «Fussball ist Kultur.»