Zum fünften Mal gibt der SC Freiburg beim 2:2 gegen Hannover 96 Punkte in letzter Minute preis. Erneut patzt Torhüter Roman Bürki, der die Herzen der Fans dennoch erobert hat. Die Südbadener überwintern als Tabellenletzter – den Mut aber haben sie nicht verloren.
Mit einem Fussballspiel kann es sich mit verhalten wie mit einem Weihnachtsbaum. Bunt geschmückt mit bunten Kugeln, ein bisschen Lametta und ein paar Kerzen. Und dann fängt der Baum Feuer und vorbei ist es mit der fröhlich-besinnlichen Stimmung.
So muss sich der SC Freiburg vorkommen. Am Sonntagabend setzte er mit dem Heimspiel den Schlusspunkt unter eine vom FC Bayern München maximal dominierte Bundesliga-Vorrunde. Und als die Nachspielzeit im Schwarzwald-Stadion anbrach, da wähnten sich die Südbadener in Festtagslaune, standen sie in der virtuellen Rangliste auf Platz 14. Als fünf Minuten später abgepfiffen wurde, waren sie wieder Letzter.
Ein weiteres Mal wurden die Extraminuten zum Horror. Die 93. Minute lief, als Roman Bürki in höchster Not einen gefährlichen Ball in die Füsse von José Luis Sanmartín Mato spielte. Der, besser bekannt als Joselu, nahm dieses – man traut es sich fast nicht zu schreiben: Weihnachtsgeschenk dankend an und glich zum 2:2 aus.
Die Schlussminuten – das Freiburger Trauma
Zum wiederholten – genauer: zum fünften Mal gaben die Freiburger damit in der Nachspielzeit Punkte preis, weshalb sich Christian Streich und sein junges Team nicht wundern dürfen über die Zwischenbilanz. Und, auch das ist ein schonungsloses Urteil nach seinem ersten halben Jahr in der Bundesliga: Zum zweiten Mal kostet ein Fehler von Bürki dem Sportclub Punkte. So wie vor 14 Tagen beim 1:1 in Paderborn.
Das halbe Jahr nach seinem Wechsel von den Grasshoppers in den Breisgau hat Bürki zwar mehrfach seine Klasse demonstriert, hat er in Freiburg das nach Hoffenheim abgewanderte Eigengewächs Oliver Baumann vergessen gemacht.
Auch gegen Hannover hatte er starke Paraden, hielt er seine Mannschaft im Spiel, als beeindruckend stilsichere Hannoveraner vor allem im ersten Durchgang eine Handvoll bester Chancen besassen und zweimal die Torumrandung trafen.
Mit der 2:0-Führung kriecht die Angst hoch
Das erste Tor erzielten aber die Freiburger, für die Linksverteidiger Christian Günter die Führung durch Mike Franz unmittelbar vor dem Pausenpfiff idealtypisch mit einem Vorstoss auf die Grundlinie und einem Pass in den Rücken vorbereitete.
Freiburg baute diese Führung in der 81. Minute sogar aus, nach einem Eckball und einen Kopfballtreffer von Innenverteidiger Marc-Oliver Kempf. Aber da stand ja noch die Schlussphase aus, die in Freiburg inzwischen traumatische Zustände auslöst. Nach dem Anschlusstor des eingewechselten Leonardo Bittencourt kroch die Angst greifbar in den Freiburger Spielern hoch – mit der Pointe, die die Breisgauer nur noch als schlechten Witz begreifen.
«Zwei Eigentore», konstatiert SC-Trainer Christian Streich über die Entstehung der Gegentreffer, und er kann sich nicht erinnern, dass eine Bundesligamannschaft in 17 Spielen einer Halbserie schon einmal fünf mögliche Siege oder Unentschieden in den letzten Minuten aus den Füssen gegeben hat.
«Das müssen wir aushalten, und ich bin jetzt lange genug im Verein, und weiss, was möglich ist», sagt Streich, «wir haben Anschluss an eine ganze Reihe von Mannschaften, und wenn wir an unsere Konzentration arbeiten und jedem bewusst ist, dass es nur um den Klassenerhalt geht, dann bin ich nicht pessimistisch.»
Streich rügt Bürki und preist die Fans
Über Roman Bürki sagt Streich klipp und klar: «Ich weiss nicht, warum er den Ball nicht mit den Händen aufnimmt. Er war unbedrängt.» Der Trainer registrierte aber auch, wie Bürki in der allerletzten Sekunde sogar noch eine Niederlage abwendete, und wie die Fans in der Nordkurve des Schwarzwald-Stadions den Schweizer Goalie trotz dessen Fauxpas feierten: «Das gibt es nur hier», ist sich Streich sicher, «das macht wahnsinnig Mut, und das gibt uns Kraft.»
Wie ein kleines, tröstliches Weihnachtspräsent wird Jürgen Klopp das Freiburger Unentschieden vernommen haben. Das erspart der schwer havarierten Borussia aus Dortmund, punktgleich mit Freiburg und mit einem mehr erzielten Tor, eine Winterpause auf dem letzten Platz. An der roten Laterne tragen die abstiegskampferprobten Südbadener wahrscheinlich ein wenig leichter als der Champions-League-Finalist von 2013.
Am 1. Februar stimmt Freiburg über Stadion ab
Am 31. Januar geht es für Freiburg weiter mit einem Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt. Die drei Punkte werden dabei genauso von Bedeutung sein wie der Bürgerentscheid einen Tag später: Dann entscheidet Freiburg über den Neubau eines Stadions. Und ein Ja des Stimmvolkes wäre am 1. Februar dann so etwas wie ein nachträgliches Weihnachtsgeschenk, das dem SC Freiburg an diesem Adventssonntag vorenthalten blieb.
SC Freiburg–Hannover 96 2:2 (1:0)
Schwarzwald-Stadion. – 23’550 Zuschauer. – SR Perl
Tore: 45. Franz 1:0, 81. Kempf 2:0, 83. Bittencourt 2:1, 93. Josulu.
SC Freiburg: Bürki – Riether (46. Mujdza), Krmas, Kempf, Günter – Schuster, Darida (80. Torrejon) – Klaus, Schmid – Mehmedi, Franz (78. Philipp).
Hannover: Zieler – Albornoz, Sané, Marcelo, Sakai – Hirsch (67. Bittencourt), Schmiedebach – Briand, Stindl, Kiyotake (95. Prib) – Joselu.
Bemerkungen: 24. Pfostenschuss Briand, 34. Pfostenschuss Joselu, 46. Pfostenschuss Klaus, 60. Pfostenschuss Mehmedi.
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