Der Julierpass muss keineswegs nur der Übergang zu etwas Schönerem sein: Die Alp Flix bietet Ruhe, Schönheit und Erholung. Später können Sie immer noch ins Engadin.
Ich gebe es zu: Der nördliche Teil des Julierpasses war für mich immer bloss der düstere Übergang zu Schönerem – Ferien im Engadin. Einmal mussten wir von der Schule aus gezwungenermassen in Rona in ein Langlauflager. Ein Aufenthalt, der mir Stadtkind als sonnenlos-klaustrophobisch in Erinnerung geblieben ist. Eingeschlossen von steilen Berghängen gab sich die Klassenlehrerin dem Alkohol hin, die Köchin haarte regelmässig in die Suppe und erzählte wahlweise von ihren Gebrechen oder – noch schlimmer – jenen ihres miefenden Hundes.
Um so grösser ist das Erweckungserlebnis, als ich mehr als zwanzig Jahre später entdecke, dass sich oberhalb des Marmorera-Stausees eine ganz andere Welt öffnet: die Alp Flix. Es ist eine alpine Moorlandschaft, bei deren Anblick einem der Atem stockt. Eine Hochebene mit einem ganz eigenen Gesicht. Nicht lieblich wie die grünen Wiesen im Berner Oberland, aber auch ohne die Schroffheit der Hochalpen – einfach etwas ganz Eigenes.
Wer sagt denn, dass es sich nur bei blauem Himmer wunderbar wandern lässt? (Bild: Florian Raz)
Von Sur her ist die Alp sogar mit dem Auto erreichbar, zudem gibt es einen Bus (5 Franken). Aber wer so anreist, verpasst das Beste. Wir sind darum bis nach Bivio gereist (der selbst ernannten Perle am Julier) und haben uns von dort zu Fuss aufgemacht, die Alp zu erwandern. Wer den kleinen Umweg über den auf 2241 Metern liegenden Kanonensattel nimmt, kommt selbst bei gemütlichstem Tempo in dreieinhalb Stunden auf der Alp an (vgl. Karte).
Der Fussmarsch wird reich belohnt. Im Wald verfärben sich die Lärchen, von der Alp aus weitet sich der Blick über das Moor auf den gegenüber liegenden Piz Platta. Nach diesem ist auch unser Gasthaus benannt, in dem abends ein Viergänger serviert wird, der deutlich über dem Niveau einer üblichen Alphütte liegt, ohne dabei manieriert zu wirken. Wem der Sinn weniger nach Komfort denn nach etwas Speziellem steht, der kann auf der Alp Flix auch in mongolischen Jurten übernachten – was günstiger kommt als das Gasthaus.
Reiter können hier oben stunden- oder tageweise Pferde mieten. Für Kinder gibt es Ponys oder auch einen Forscherparcours. Bei diesem wird die Flora und Fauna der Moorlandschaft rund um die drei kleinen Seen erkundet – und die Kleinen erhalten die Einzelteile für ein selbst zusammengebautes Wasserrad.
Dank dem Tourismusverein Savognin wissen wir auch, wie das Ganze bei Sonnenschein ausgesehen hätte. (Bild: Savognin Tourismus)
Wir selbst haben uns einfach erholt, ehe wir nach einer Nacht ohne jedes Zivilisations-Geräusch bereits wieder den Rückweg unter die Füsse genommen haben. Weniger steil und etwas kürzer führt der Weg bei Gruba an ehemaligen Bergwerken vorbei, wo bereits in der Bronzezeit Kupfer abgebaut worden ist.
Zurück im engen Tal des Julierpasses gibt es auf der Rückreise doch noch ein Highlight. Wer mit dem Auto unterwegs ist, sollte unbedingt bei der ersten Kurve in Tiefencastel anhalten und bei der Bäckerei Stgier einkehren. Sie sind am richtigen Ort, wenn Sie das überlebensgrosse Bild eines seligen Bäckermeisters sehen, der die Hand des verstorbenen Papstes Johnannes Paul II. drückt. Nach einem der famosen Nussgipfel von Stgier sollte die Energie locker für die Rückreise ins Unterland reichen.
- Erlaufen: Die ganze Schönheit der Alp Flix.
- Erholen: Ganz komfortabel im Berghaus Piz Platta mit Halbpension. Oder einmal ganz anders, in den Mongolen-Jurten von Agrotour.
- Erkunden: Rund um die drei Seen können Kinder die Moorlandschaft wissenschaftlich untersuchen.