Die alte Fabrik an der Bärenfelserstrasse wird Wohnraum

Von der Heizkörper-Fabrik über die Zwischennutzung als Gewerbe- und Dienstleistungszentrum bis zum Wohnhaus: In der bewegten Geschichte des 1910 erbauten Gebäudekomplex an der Bärenfelserstrasse 40 beginnt ein neues Kapitel. Keine Frage: Wer etwas über die Bärenfelserstrasse im Kleinbasel wissen möchte, wendet sich an Ruedi Bachmann. Keine Regung, über die der 73-jährige Architekt, Städtebau-, Quartier- und […]

Ehemaliger Gewerberaum wird Wohnraum

Von der Heizkörper-Fabrik über die Zwischennutzung als Gewerbe- und Dienstleistungszentrum bis zum Wohnhaus: In der bewegten Geschichte des 1910 erbauten Gebäudekomplex an der Bärenfelserstrasse 40 beginnt ein neues Kapitel.

Keine Frage: Wer etwas über die Bärenfelserstrasse im Kleinbasel wissen möchte, wendet sich an Ruedi Bachmann. Keine Regung, über die der 73-jährige Architekt, Städtebau-, Quartier- und Wohnstrassenaktivist nicht Bescheid weiss, keine Ecke, die er nicht kennt. Natürlich weiss er auch über den noch etwa zu zwei Dritteln eingerüsteten Gebäudekomplex an der Bärenfelserstrasse 40 Bescheid, an dem ein Bauschild die «Umnutzung zu Wohnraum» verkündet.

Auf einer speziellen Website bietet das Immobiliendienstleistungs-Unternehmen Wincasa in diesem Haus 13 Wohnungen, drei Ateliers und eine Praxis zur Miete an. Das Wohnungsangebot umfasst mehrere Zwei- und Drei- sowie zwei ausgesprochen geräumige Vierzimmerwohnungen zu Netto-Monatsmieten von 1350 bis 2890 Franken. Als besonderes Merkmal streicht Wincasa den Umstand heraus, dass es sich bei der Bärenfelserstrasse um eine kinderfreundliche Wohnstrasse handelt.

Erinnerungen an «Bä 28»

Dass ein kommerzieller Immobiliendienstleister – das Haus befindet sich in Besitz der AXA Winterthur Versicherungen – die Wohnstrasse Bärenfelserstrasse als Attraktivitätsmerkmal herausstreicht, ist auf den ersten Blick ungewöhnlich. Andere Hausbesitzer, beziehungsweise zumindest zwei, dürften bei der Erwähnung der Bärenfelser-Wohnstrasse von Albträumen heimgesucht werden. Es handelt sich um die Häuserspekulanten, welche in den 1960er- und 1970er-Jahren die 1892 erbaute Eckliegenschaft an der Bärenfelserstrasse 28 im Sinne einer gewinnmaximierenden Investition durch einen Neubau ersetzen wollten.

Dies hatte einen beispielhaften und letztlich erfolgreichen Kampf für die Erhaltung der Liegenschaft ausgelöst, der sich von 1968 bis 1996 über beinahe 30 Jahre hinzog. Heute gehört die Liegenschaft, die unter der Bezeichnung «Bä 28» in die Geschichte einging, der Pensionskassenstiftung Abendrot. In die Zeit des Kampfes um «Bä 28» in das Jahr 1977, fiel auf Initiative der Anwohnerschaft auch die Umwandlung der Bärenfelserstrasse zur ersten Wohnstrasse der Schweiz.

Ein positives Beispiel

Auch die Geschichte des Gebäudekomplexes an der Bärenfelserstrasse 40 ist aussergewöhnlich – aber im positiven Sinne, wie Ruedi Bachmann betont. Errichtet wurde der Komplex 1910 als Fabrik der Zentralheizungsfirma Stehle & Gutknecht AG, die später vom Winterthurer Sulzer-Konzern übernommen wurde. Ab 1965 beherbergte die kleine Farbrik für 12 Jahre die Araldit- und Kunststoffapplikationsabteilung der Ciba, und in den 1980er-Jahren wurde sie zu einem der ersten gewerblichen und kulturellen Zwischennutzungsobjekten in Basel.



Der Briefkopf der ehemaligen Heizkörperfabrik machte aus der tatsächlich kleinen eine fiktive grosse Fabrik mit Kaminen, die nie existierten.

Der Briefkopf der ehemaligen Heizkörperfabrik machte aus der tatsächlich kleinen eine fiktive grosse Fabrik mit Kaminen, die nie existierten.

«Nach dem Auszug der Ciba wurde die Fabrik eigentlich zum Abbruchobjekt», erinnert sich Bachmann. Dies rief den von Bachmann vor 40 Jahren mitgegründeten Verein interessierter Personen, kurz V.i.P., auf den Plan. Der V.i.P. hatte sich zuvor mit Erfolg für die Neunutzung des Kasernenareals eingesetzt und entdeckte im vom Abbruch bedrohten Fabrikareal ein neues Objekt der Umnutzungsbegierde.

Ein glücklicher Zufall und ein offenes Gehör

Zusammen mit einer Fachklasse für Innenarchitektur entwickelte Bachmann 1980 ein Umnutzungsmodell für das Fabrikgelände. Dieses wurde dann zwar nicht so umgesetzt, der Zufall und die Gesprächsbereitschaft der Hausbesitzer führten aber dazu, dass aus der Bärenfelserstrasse 40, zumindest aus einem Teil des Gebäudekomplexes, tatsächlich ein Zwischennutzungsprojekt wurde.

Die Sulzer AG brauchte Platz, um ihre Tochterfirma Schachenmann & Co. AG, unterzubringen. Die Spezialfirma für Elektrotechnik benötigte aber nur die Hälfte der Räumlichkeiten, was den Weg für eine damals noch ungewöhnliche Zwischennutzung frei machte. Auf Anregung von V.i.P wurde der Verein FAN – was für «Freundnachbarschaftliche Arealnutzer» steht – gegründet, der mit der Hauptmieterin einen Untermietvertrag abschloss. Konkret bezogen 17 Untermieter verschiedene Räumlichkeiten, darunter eine Gemeinschaftspraxis für Psychiatrie, verschiedene Künstler, ein Fotograf, eine Trockenblumen-Binderei, ein Möbelrestaurator, ein türkisches Bad und dergleichen mehr.

Aus 11 wurden 33 Jahre

Ursprünglich wurde der Untermietvertrag auf 11 Jahre befristet abgeschlossen. Es wurden schliesslich 33 Jahre. «Trotz mehrerer Handänderungen wurden die Verträge mit der Untermietergemeinschaft stets fair eingehalten», sagt Bachmann, der selber viele Jahre in einer Dachwohnung auf dem Gelände wohnte. Vor sechs Jahren nun ging das Areal an die AXA Winterthur-Versicherungen. Damit wurde auch das Ende der Zwischennutzung eingeläutet. Aber es war ein Ende ohne Hast, wie Bachmann sagt. «Die Untermieter erhielten eine Frist von fünf Jahren, und alle haben in der Zwischenzeit eine neue Bleibe gefunden.»

Oder sie haben die alte Bleibe im sanierten Zustand weiterbelegen können, wie im Fall der Gemeinschaftspraxis. Der Grossteil der ehemaligen Fabrik wird nun aber neu zum Wohnraum. Und der ehemalige Mitbewohner der Liegenschaft und Kämpfer gegen die Häuserspekulation, Ruedi Bachmann, freut sich über die neu konzipierte Nachbarschaft. Natürlich könne man das Objekt auch als Resultat eines Gentrifizierungsprozesses sehen, sagt er. «Längerfristig wird sich die Umnutzung aber positiv auf das wohnliche Umfeld der Bärenfelserstrasse auswirken.» Die Mietpreise seien für ein Objekt dieser Art nicht übertrieben. Und der Wincasa als Vermieterin hat Bachmann bereits eine lange Liste mit Mietinteressenten zukommen lassen.

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