Nach dem Stellenabbau bei Novartis steigt der Druck aus der Politik, die Forschungsgesetze zu liberalisieren.
Man wäre gerne dabei gewesen, bei diesen Gesprächen, die laut Mitteilung wenig überraschend in einer «konstruktiven» Atmosphäre verlaufen sein sollen. Die Wirtschaftsdelegation der Basler Regierung traf sich zu Beginn der Woche mit Novartis, um über den Abbau von 760 Stellen in Basel zu sprechen.
Die Regierung hatte sich zuvor ziemlich kritisch über die Sparpläne geäussert. An dieser Haltung dürfte auch das Treffen wenig geändert haben, dessen Resultat das etwas vage Versprechen der Novartis war, auch kün ftig auf Basel als Forschungsstandort Nummer 1 zu setzen.Diesem Bekenntnis trauen längst nicht alle. Denn die Forschungsgesetze sind in anderen Ländern liberaler, die Investitionen in junge Talente massiver. «Wir müssen etwas unternehmen», sagt der Basler Gewerbedirektor Peter Malama, «und unseren Drang unterdrücken, alles überregulieren zu wollen.» Dass die Basler Regierung in den vergangenen Wochen einen intensiven Austausch mit China pflegte, könne dabei lehrreich sein. Gleichzeitig bestehe die Gefahr, dass die Chinesen allzu einfach Zugang zum Schweizer Know-how erhielten und dies «im Copy-paste-Verfahren» ausnutzten.
Von Asien lernen
Diese Angst hat der Basler Wirtschaftsdirektor Christoph Brutschin nicht. Dafür ist er zu sehr begeistert von der Dynamik und der Wachstumseuphorie, die er vor wenigen Tagen bei seinem letzten Arbeitsbesuch in Schanghai einmal mehr erlebt hat. «Wenn ich in Asien bin, fühle ich mich ziemlich alt», sagt er. Entziehen könne man sich dieser Auseinandersetzung aber nicht, sagt Brutschin und denkt dabei nicht nur an sich, sondern auch an seinen Kanton: «Basel-Stadt steht im weltweiten Wettbewerb. Darum ist es sinnvoll, dass wir solche Partnerschaften wie jene mit Schanghai pflegen, um zu lernen und zu profitieren.» Einig ist er mit Malama dagegen in einem anderen Punkt: Die Schweiz muss ihre Bewilligungsverfahren überprüfen, um zu verhindern, dass Pharmafirmen wegziehen, nur weil sie im Ausland weniger lange auf eine Zusage für eine klinische Studie warten müssen.
Die Unterschiede sind laut «NZZ am Sonntag» erheblich: In der Schweiz muss sich eine Firma im Schnitt 135 Tage gedulden, in Deutschland 53 und in Belgien 29. Mit dem neuen Gesetz über die Forschung am Menschen soll das Verfahren verbessert werden. Neu sollen Ethikkommission und Heilmittelinstitut eine Studie parallel prüfen und nicht mehr nacheinander. «Wir brauchen dafür in der Regel 20 Tage, das ist schon heute so», sagt Swissmedic-Sprecher Daniel Lüthi.Das reicht einigen Politikern aber noch längst nicht. Im Bundesparlament sind derzeit drei Vorstösse von Erika Forster, (FDP, SG) Caspar Baader (SVP, BL) und Luc Barthassat (CVP, GE) hängig, in denen weitere Massnahmen zur Belebung des Forschungs- und Pharmastandorts Schweiz gefordert werden. Unter anderem wird von Swissmedic «eine effizientere Zulassung von Arzneimitteln» verlangt.
«Fehlendes Verständnis»
Das freut Thomas Cueni, Generalsekretär von Interpharma: «Die Politiker haben gemerkt, dass die Schweiz den Unternehmen gute Rahmenbedingungen bieten muss.» In der Verwaltung fehle dieses Verständnis häufig. «Der Ernst der Lage ist noch zu wenig erkannt.» Swissmedic dämpft dagegen die Erwartungen. «Wir sind schon jetzt recht schnell. Noch wichtiger sind für uns aber die Sicherheit der Konsumenten», sagt Lüthi.
Eine andere, die vor übertriebenen Erwartungen warnt, ist Nationalrätin Maya Graf (Grüne, BL). Sie aber aus einem anderen Grund. «Für die Pharmafirmen muss in erster Linie das Geschäft stimmen», sagt Graf. Darum sei die zunehmende Verlagerung nach Asien kaum mehr zu stoppen. Denn dort seien die Löhne tief, der Arbeitnehmerschutz und die Umweltgesetze lasch: «Da können und dürfen wir nicht mithalten.»
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 04/11/11