Das Regime von Präsident Assad setzt weiter auf Einschüchterung: Tausende mutmasslicher Regierungsgegner verschwinden in Kerkern, sie und ihre Angehörigen sollen somit unterdrückt und mundtot gemacht werden.
Als gezielte Bürgerkriegstaktik lässt das Regime in Syrien laut Experten unzählige mutmassliche Oppositionelle in geheimen Kerkern verschwinden. Damit versuchten Sicherheitsdienste und die Armee, regierungskritische Teile der Bevölkerung systematisch einzuschüchtern.
Das erklärte die Unabhängige Internationale Untersuchungskommission für Syrien am Donnerstag in Genf. Zugleich kritisierte die vom UNO-Menschenrechtsrat berufene Expertengruppe, Rebellen würden immer wieder Menschen als Geiseln verschleppen. Auch das sei ein Verstoss gegen das humanitäre Völkerrecht.
Das gezielte Verschwindenlassen mutmasslicher Regimegegner sei ein fester «Bestandteil umfassender und systematischer Angriffe gegen die Zivilbevölkerung, die ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen».
Die Verschwundenen sind nach Erkenntnissen der vom UNO-Menschenrechtsrat berufenen Kommission Folter und anderen grausamen Praktiken ausgesetzt. Die weitaus meisten von ihnen seien erwachsene Männer. Zur Taktik des Verschwindenlassens greife das Regime bereits seit den ersten regierungskritischen Demonstrationen im März 2011.
Keine genauen Zahlen
Genaue Zahlen nannte die vom brasilianischen Diplomaten Paulo Pinheiro und der Schweizerin Carla Del Ponte geführte Expertengruppe nicht. Die syrischen Behörden hätten der Kommission jede Information verweigert.
Neben den Verschwundenen selbst seien «viele Tausend Familienmitglieder betroffen, die einfach nichts über das Schicksal ihrer Angehörigen erfahren», erklärte die Kommission zur Vorlage ihres Untersuchungsberichtes «Ohne eine Spur: erzwungenes Verschwinden in Syrien».
Wer es wage, bei Gefängnissen oder Behörden nach Angehörigen zu fragen, laufe Gefahr, selbst festgenommen und ohne ein Verfahren eingekerkert zu werden. «Die syrischen Behörden haben ein Klima der Angst geschaffen, damit die Familien es nicht wagen, Nachforschungen nach ihren Angehörigen anzustellen oder formell Beschwerde zu erheben», heisst es in dem Bericht.
Kinder leiden besonders
Besonders Kinder würden unter der traumatischen Erfahrung des Verschwindens ihrer Väter leiden. Neben emotionalen und psychischen Problemen stürze die Verschleppung von Familienvätern deren Angehörige oft in soziale Not.
Die Kommission zitierte eine Mutter: «Ich weiss nicht, wie ich weiterleben und für meine jungen Kinder sorgen soll ohne ihren Vater.»
Während die Regierung das Verschwindenlassen als Taktik der Einschüchterung betreibe, würden Rebellengruppen seit einiger Zeit immer wieder Menschen als Geiseln verschleppen. Betroffen seien humanitäre Helfer, Journalisten, religiöse Würdenträger ebenso wie Personen, die als regimefreundlich angesehen werden.
Auch dies seien Verbrechen, wenngleich die Verschleppung von Geiseln – im Unterschied zum spurlosen Verschwindenlassen durch das Regime – von den Rebellen meist nicht verheimlicht werde.