Die Attentäter von Paris riefen «Allah ist gross». Muslime auf der ganzen Welt stören sich daran. Der Sprecher der Basler Muslim Kommission erklärt, weshalb das Attentat nichts mit dem Islam zutun hat und ob in Basel ein Terrorakt möglich wäre.
Serhad Karatekin
Die Muslim Kommission Basel (MKB) distanzierte sich am Donnerstag offiziell von dem islamistischen Anschlag in Paris. Man verurteile «jede Art von Terrorismus», und es mache «mehrfach betroffen, dass auch Muslime hinter terroristischen Greueltaten stecken und sich dabei auf den Islam berufen».
Aus der Medienmitteilung kommt auch klar heraus, was die Muslime in Basel von der Tat denken: «Wer solche Verbrechen duldet, gutheisst oder gar deckt, macht sich der Mittäterschaft schuldig.»
Der Sprecher der MKB, Serhad Karatekin, äussert sich im Interview zu den Anschlägen und den Reaktionen, die er darauf erhielt. Er ist in Birsfelden geboren, seine Eltern kommen aus der Türkei.
Herr Karatekin, welche Reaktionen haben Sie nach dem Attentat aus Ihrem Umfeld erhalten?
Aus dem Umfeld meiner muslimischen Freunde habe ich viele menschliche Reaktionen gekriegt. Viele zeigten sich schockiert, einige sagten: Hoffentlich berufen sich diese Attentäter nicht wieder auf den Islam. Über Social Media habe ich auch viele Solidaritätsbekundungen mit Muslimen wahrgenommen. Sicher gab es daneben auch einige unschöne Reaktionen von Leuten, die den Islam anprangerten.
Hat das Attentat aus Ihrer Sicht nichts mit dem Islam zu tun?
Die Terroristen berufen sich zwar auf den Propheten. Sie tun jedoch genau das Gegenteil von dem, was der Prophet Mohammed uns gelehrt hat. Im Koran steht sogar explizit, wie gläubige Muslime mit Provokationen umgehen sollen. Man soll sich von ihnen abwenden, also sie ignorieren.
Finden Sie die Karikaturen von «Charlie Hebdo» problematisch?
Die Zeichner gehen mit ihren Darstellungen oft unter die Gürtellinie. In gewissen Fällen finde ich das störend. Wenn ich in meinen religiösen Gefühlen verletzt bin, kann ich auf dem Rechtsweg gegen solche Karikaturen vorgehen. Die Trennlinie zwischen Meinungsfreiheit und Verunglimpfung wird dann durch die Gerichte entschieden. Nach der islamkritischen Veröffentlichung von Andreas Thiel haben wir in der islamischen Gemeinde beispielsweise eine Anzeige erwogen.
Und?
Wir fanden, es ist besser die Sache zu ignorieren, und haben keine Anzeige erstattet. Mit einer Anzeige hätten wir der Sache nur noch mehr Aufmerksamkeit gegeben. Das wäre genau das gewesen, was er auch wollte.
Wie bewerten Sie die Berichterstattung zum Pariser Attentat? Empfinden Sie es als störend, wenn Zeitungen titeln: «Wir haben den Propheten gerächt»?
Solche Titel sind nur neues Wasser auf die Mühlen von Extremisten jeglicher Couleur. Seit dem Attentat vom 11. September berichten viele Medien über den Islam im Zusammenhang mit Gewalt. Die Religion wird dabei häufig als gewalttätig dargestellt. Das ist ein völlig falsches Bild, das die Medien so kolportieren. Terrorismus hat keinen Platz in den Offenbarungsreligionen. Wir lehnen den Missbrauch unserer Religion entschieden ab. Nur weil die Täter «Allahu Akbar» rufen, stehen sie noch lange nicht für den Islam. Pegida ruft ja auch: «Wir sind das Volk.» Es ist schade, dass dies manchmal in Vergessenheit gerät.
Könnte ein solches Attentat auch in Basel oder in der Schweiz stattfinden?
Ich kenne keine auffälligen Leute, die unsere Moschee besuchen. Muslime, die Gewalt verherrlichen, würden bei uns schnell auffallen – jeder kennt jeden. Und wenn solche Gläubige bei uns in die Moschee kämen, hätten wir das bereits gemeldet. Es ist auch so, dass kein Auswärtiger einfach so in unserer Moschee predigen darf. Wenn also jemand kommen würde, der Gewalt predigt, würde das schnell auffallen.
Haben Sie Angst vor Reaktionen aus der hiesigen Bevölkerung?
Angst habe ich nicht. Sicher ist es nicht verkehrt, wenn die Gemeinschaft wachsam ist. Es ist denkbar, dass sich jemand berufen fühlt, Selbstjustiz gegen Muslime auszuführen. Einzelne Moscheen werden deshalb von uns überwacht.