Swiss Athletics nimmt die Leichtathletik-EM in Amsterdam mit mehreren Podestanwärtern in Angriff. Die Chancen, erstmals seit 18 Jahren wieder mehr als eine EM-Medaille zu gewinnen, sind intakt.
Kariem Hussein, der Titelverteidiger über 400 m Hürden, die Stabhochspringerin Nicole Büchler, die Langhürdlerin Lea Sprunger und Tadesse Abraham im Halbmarathon figurieren in der europäischen Bestenliste in den Top 3. Ebenso zu den Podest-Kandidatinnen zählen die Sprinterin Mujinga Kambundji sowie die 800-m-Läuferin Selina Büchel.
Dass die Europameisterschaften in einem Olympia-Jahr stattfinden, mindert deren Bedeutung für Swiss Athletics und deren Chef Leistungssport Peter Haas in keinster Weise. Schliesslich orientiert sich der Verband in seiner strategischen Ausrichtung an den kontinentalen Titelkämpfen.
Peter Haas, seit 2004 sind Sie Chef Leistungssport bei Swiss Athletics. Mit so hohen Erwartungen und so viel Zuversicht wie nun nach Amsterdam sind Sie wohl noch nie an internationale Titelkämpfe gereist.
Peter Haas: «Die Situation ist sicherlich so, dass wir mit einem starken Team an diesen Europameisterschaften teilnehmen dürfen. Das ist die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit – und es geht auch mir so.»
Wie schätzen Sie die Ausgangslage ein, verglichen mit jener von vor zwei Jahren bei der Heim-EM in Zürich, als sechs Top-8-Klassierungen, davon die Goldmedaille von Kariem Hussein als Krönung, erreicht wurden?
«Was damals in Zürich an Leistungen entstanden ist, hat eine Fortsetzung gefunden. Jene Finalisten, aber auch andere, die damals eine Finalteilnahme knapp verpasst haben, sind nun einen Schritt weiter. Sie haben sich nicht mit dem Erreichten begnügt. Sie sind nun in einer anderen Position nach Amsterdam gereist.»
Zum zweiten Mal nach 2012 finden Europameisterschaften in einem Olympia-Jahr statt. Welchen Einfluss hat dies auf die Vorbereitung, auf die Leistungssteuerung?
«Diese Entwicklung hat man vor vier Jahren, als die europäischen Titelkämpfe in Helsinki stattgefunden haben, sehr skeptisch gesehen. Ich denke, mittlerweile ist es aber schon fast etabliert, dass auch in einem Olympia-Jahr Europameisterschaften stattfinden. In den USA beispielsweise kennt man es mit den Trials schon seit Jahren, dass es wichtige Wettkämpfe im Vorfeld der Sommerspielen gibt. Nun nimmt auch Europa die Chance wahr, nochmals einen Grossanlass zu haben.»
Sie begrüssen die europäischen Titelkämpfe im Olympia-Jahr aus Schweizer Sicht also.
«Ja, aus zweierlei Gründen. Einerseits ist es für diejenigen Athleten, die nach Rio reisen, ein guter Wettkampf. Nicht zuletzt beispielsweise für die Marathonläufer, die in Amsterdam einen Halbmarathon austragen. Dieser liegt in der Vorbereitung auf den Olympia-Marathon ideal. Andererseits, gerade für unsere jungen Athletinnen und Athleten, ist die Plattform dieser Titelkämpfe europäisch und nicht das Weltniveau. Wir orientieren uns an dieser auch in unserer strategischen Ausrichtung. Für zwei Drittel unseres 49-köpfigen Teams hier in Amsterdam sind die Europameisterschaften der Höhepunkt. Ich bin froh, dass es auch im Olympia-Jahr diese Möglichkeit gibt.»
Allerdings gibt es auch prominente Abwesende, so zum Beispiel Mo Farah.
«Es gibt einzelne Athleten, die Schwerpunkte setzen. Im Mehrkampf ist es sicherlich so, dass man nicht zwei Höhepunkte von dieser Klasse anstrebt. Es gibt wenige, auch in anderen Disziplinen, die die Europameisterschaften auslassen. Aber es ist nicht so, dass dies ganz allgemein gemacht wird. Sehr viele Athleten der europäischen Spitzenklasse sind hier. Einzelne lassen vielleicht mal eine Sprint-Disziplin aus. Aber grundsätzlich ist die Elite anwesend.»