Sie ist zeitlos, praktisch und ökonomisch. Aber genug der nüchternen Argumente – dies ist eine Liebeserklärung an die Bialetti-Caffetiere.
Ohne sie komme ich morgens nicht aus den Federn und die ganze Welt verschwört sich gegen mich. Aber nicht nur das: Das letzte halbe Jahr hätte ich nachts keinen Schlaf gefunden ohne sie. Ein Schluck aus ihrem Inneren vor dem zu Bett gehen, und der schwarze Trank wirkte wie ein medizinaler: Ich fiel ins Bett und schlief wie ein Murmeltier. Kein Witz, sondern Wirkung. Koffein gegen Studiumabschlusspanik.
Die Moka-Express von Bialetti ist nicht nur Kaffeekanne und Kultobjekt, sondern auch -maschine, Munter- und Mutmacherin, Meisterin des guten Geschmacks, mobil und MOMA-Exponat (seit 2008 gehört sie zu den Meisterwerken des Museum of Modern Art in New York in der Abteilung Architektur und Design). Sie erfreut meinen Gaumen wie mein Auge gleichermassen. Aber das Beste an ihr – sie ist meins! Ihr ursprüngliches Design war im Art-Deco-Stil: mit acht Ecken, silbrig aus Aluminium und mit einem Henkel aus Bakelit. Die Materialien haben sich über die Jahre verbessert, ihre Qualität ist geblieben.
Am Einfachsten kocht sie sich auf Gas hoch – wer mit ihr am Elektroherd rumfummelt, muss sich ein paar Minuten mehr Zeit nehmen. Und wenn sie von übernächtigten (und besoffenen sei einmal verschwiegen) Mitbewohnerinnen wiederholt auf dem Gasherd vergessen wird, welkt ihr formschöner, schwarzer Griff dahin und die Hitze verformt das druckrelevante Design – eine Tragödie, an die ich lieber nicht erinnert werde.
Zugegeben, ich bin nicht die einzige, die der Moka-Express verfallen ist: Mit über 300 Millionen produzierten Stück gehört sie zu den meist verkauften Kaffeespenderinnen der Welt. 1933 entwickelte sie der Italiener Alfonso Bialetti und pilgerte von Ort zu Ort, um sie zu verkaufen. Dank der offensiven Vermarktung seines Sohnes in den 50er Jahren besitzen nun 90 Prozent aller seiner Landsleute die kultige Kanne.
Amore mio! Wirtschaftlich hat sie turbulente Zeiten hinter sich: Vom kleinen italienischen Ort Omegna in der norditalienischen Provinz Verbano wurde ihre Produktion 2010 nach Bulgarien und in die Türkei outgesourced. Sogar das «L’omino coi baffi», das Männchen mit dem Riesenschnurrbart, prangt nun auch auf Kapselautomaten. Mein Männchen im Zwangsexil. Als eine von vielen ökonomischen Hiobsbotschaften tut das meiner Begeisterung letzten Endes aber keinen Abbruch.
In Zeiten, wo Kaffekapseln wie Juwelen im Schaufenster liegen oder man per Knopfdruck (und mit tiefem Griff ins Portemonnaie) vollautomatische Milchschaumorgien veranstalten kann, ist die Moka-Express weltklassemässig schlicht. Sie schenkt mir keine Crema, dafür Kaffee, der mehr Koffein hat als ein herkömmlicher Espresso. Sembra facile. Ihr Kaffee ist stark, schwarz und kochendheiss. Sie fragt nicht per Display nach Wasser oder Kaffeepulver, wenn sie keines mehr hat, ich gebe ihr morgens alles, was sie braucht, freiwillig und mit innigster Hingabe. Wenn der Tag anbricht, dringt nur das langsam ansteigende Geräusch des hochsprudelnden Kaffees in meine sensiblen Öhrchen. Mit ein paar Minuten Nostalgie gestärkt, bin ich bereit für neue (Schand-)Taten.