Die Entschuldigung von Geri Müller war eine verpasste Chance

In der Selfie-Affäre hat sich Geri Müller vor den Medien in aller Form entschuldigt. Genau das sowie die Art und Weise enttäuscht unser Community-Mitglied Stefan Zingg. Er wendet sich deshalb mit einem offenen Brief an den Grünen-Nationalrat und Badener Stadtammann. Lieber Geri Müller Du hast mich schwer enttäuscht. Nein, nicht so, wie Du jetzt vielleicht […]

Geri Müller an der Medienkonferenz am Dienstag in Zürich

In der Selfie-Affäre hat sich Geri Müller vor den Medien in aller Form entschuldigt. Genau das sowie die Art und Weise enttäuscht unser Community-Mitglied Stefan Zingg. Er wendet sich deshalb mit einem offenen Brief an den Grünen-Nationalrat und Badener Stadtammann.

Lieber Geri Müller

Du hast mich schwer enttäuscht. Nein, nicht so, wie Du jetzt vielleicht vermutest. Es ist mir nämlich herzlich egal, mit wem Du welche Chats und Bilder austauschst. Es ist mir auch egal, ob Du das von Deinem Arbeitsplatz aus tust – vorausgesetzt natürlich, dass Du daneben auch noch Deinen Job seriös erledigst, aber dass Du das nicht tätest, werfen Dir ja nicht mal Deine politischen Gegner vor. (Dass manche Leute Deine Arbeit inhaltlich kritisieren, liegt im Wesen der Politik und hat mit dem hier behandelten Thema nichts zu tun.)

Im Speaker’s Corner publiziert die TagesWoche ausgewählte Texte und Bilder von Community-Mitgliedern. Vorschläge gerne an community@tageswoche.ch.

Nein, ich werfe Dir zwei ganz andere Dinge vor. Zum einen, Dass Du mich für blöd verkaufst. Wenn Du allen Ernstes von mir erwartest, Dir zu glauben, dass Du nur aus rein intellektuellem Interesse und ganz ohne erotische Gefühle sexuelle Chats und Bilder mit einer Frau ausgetauscht hast, dann bin ich ehrlich beleidigt. Vielleicht mögen die Amerikaner Bill Clinton geglaubt haben, dass er nicht inhaliert hat, so was aber von mir zu verlangen, das geht definitiv zu weit.

Betrifft der erste Vorwurf eher meine verletzte Eitelkeit, so ist der zweite ernsthafterer Natur: Deine öffentliche Entschuldigung ist unentschuldbar. Ich hätte von Dir das Rückgrat erwartet, hinzustehen und zu sagen: «Mit wem ich worüber chatte oder nicht chatte, geht Euch überhaupt nichts an. Über meinen Job lege ich Rechenschaft ab, aber Privates ist privat. Ende der Durchsage.» Gut, eine kurze Bemerkung zum Polizeieinsatz wäre auch noch angebracht gewesen, denn den gravierenden Vorwurf des Amtsmissbrauchs konntest Du kaum unkommentiert im Raum stehen lassen, doch dann hätte Schluss sein müssen. Doch diese Chance, der zunehmenden Boulevardisierung der Gesellschaft entgegenzutreten und ein Zeichen zu setzen, hast Du verpasst. Mit Deiner Entschuldigung hast Du der Politik einen Bärendienst erwiesen. Ich bin enttäuscht.

Mit freundlichen Grüssen
Stefan Zingg

Nächster Artikel