Die europäische Szene der Springreiter atmet auf. Die drastische Erhöhung der Startgelder – und somit die Entwicklung des Pferdesports in Richtung Formel 1 mit einem exklusiven Zirkel – ist vom Tisch.
Beim «Sports Forum» Anfang Woche in Lausanne, an dem jedes Jahr alle interessierten Kreise über die Zukunft des Pferdesports diskutieren, war der Tenor klar. Die von den Turnier-Veranstaltern und dem Weltverband FEI vorgeschlagene Angleichung der Nenngelder an das amerikanische System findet in Europa, wo mehr als 80 Prozent der internationalen Springturniere veranstaltet werden, keine Akzeptanz. Zum Teil weit über 1000 Franken müsste ein Reiter auch bei kleineren Veranstaltungen pro Pferd als Startgeld hinblättern, was beinahe einer Verdreifachung der gängigen Praxis entsprechen würde.
In seltener Einigkeit wehrten sich die Springreiter seit Anfang Jahr gegen das angedachte neue Gebühren-System. «Zum ersten Mal schäme ich mich für meinen Sport. Es sollte doch auf Talent und nicht nur aufs Geld ankommen», sagte Steve Guerdat. Der Jurassier behauptete sogar: «Das wäre das Ende unseres Sports.» Der Olympiasieger von London musste aufpassen, dass er sich bei diesem Thema nicht zu stark in Rage redete. «Wie soll das in Europa funktionieren?», fragte er. «In den USA zahlen die reichen Leute alles. Aber die Mentalität ’nur zahlen‘ gibt es hier nicht. Das Nenngeld ist schon heute hoch. Aber eine Verdreifachung? Ich könnte meine jungen Pferde nicht mehr ausbilden. Und viele Züchter könnten gleich aufhören», wetterte Guerdat.
Der Schweizer Equipenchef Andy Kistler sorgte sich um die Entwicklung des Reitsports. «Das Springreiten wäre nur noch den Reichen vorbehalten und würde sich zu einer Art Formel 1 entwickeln», betonte er. «Das will ich nicht. Von meinen besten zehn Reiterinnen und Reitern müsste wohl die Hälfte aufhören.» In den USA sei der Reitsport primär elitär ausgerichtet, er spreche vor allem die Reichen und den Handel an. Aber: «Aus sportlicher Sicht ist das System USA für mich ein No-Go.»
Guerdat bestätigte: «Die Mentalität des Springsports in Amerika ist komplett anders. Da ist viel mehr Geld im Spiel.» In Europa gehe es auch «um die Basis, um die Züchter, um die Besitzer». Da mehr als 80 Prozent der internationalen Springturniere in Europa ausgetragen werden, fragte er: «Wieso sollen wir uns an einer Minderheit orientieren?»
Pius Schwizer findet das Ganze einen «absoluten Blödsinn», wie er gegenüber der «PferdeWoche» sagte. Teilnahmen an Ein-, Zwei-, oder Dreisterne-Turnieren sollten auch für Reiter erschwinglich sein, die Talent haben und nicht nur Geld. «Am Schluss reiten nur noch reiche Sprösslinge die talentierten Pferde, weil es sich die Eltern leisten können. Das Potenzial der Pferde können die Sprösslinge aber wegen Mängel im Reiten meist gar nicht nutzen. Diese Pferde verschwinden dann irgendwann in der Versenkung», sagte der Solothurner und zählte einige Beispiele auf.
FEI wird einlenken
Die Voten am Sports Forum waren eindeutig. Der Weg hin zum amerikanischen System wurde klar verworfen. Die globalen Unterschiede sind zu gross, als dass eine Harmonisierung der Startgelder Sinn ergibt. Das Springkomitee der FEI wird nun aufgrund der Diskussion in Lausanne ein Reglement ausarbeiten, das im Herbst an der GV des Weltverbandes zur Abstimmung gelangt. Reitsport nur für die Reichen wird es in Europa nicht geben.