In Tschechien haben am Freitag zweitägige Präsidentschaftswahlen begonnen, bei denen das Staatsoberhaupt erstmals direkt vom Volk gewählt wird. Eine Stichwahl in zwei Wochen gilt als wahrscheinlich. Es wird mit einer hohen Beteiligung gerechnet.
Die besten Chancen auf das Amt dürfen sich der Linkspolitiker Milos Zeman und der bürgerliche Kandidat Jan Fischer ausrechnen. Mit ihnen bewarben sich drei weitere Männer und drei Frauen um das Amt. Der bisherige konservative Staatschef Klaus durfte sich nach zwei fünfjährigen Amtszeiten nicht erneut zur Wahl stellen.
Fast alle Kandidaten kündigten einen europafreundlicheren Kurs als Klaus an. Der 68-jährige Zeman hatte kürzlich in einem Interview gesagt, Tschechien solle „Schritte für stabilere EU-Strukturen inklusive einer einheitlichen europäischen Wirtschaftspolitik ergreifen“. Während seiner Zeit als Regierungschef (1998 bis 2002) hatte Zeman Tschechiens Beitritt zur EU ausgehandelt.
Der Mitte-rechts-Politiker Fischer sagte im Wahlkampf, Tschechien müsse sich aktiv an der Debatte über die Zukunft der EU beteiligen. Der Regierungschef von 2009/2010 ist nach eigenen Angaben für „eine flexible EU-Integration, bei der jedes Land die Geschwindigkeit und den Grad der Integration wählt, den es für angemessen hält“. Explizit anti-europäisch positionierte sich nur die Kandidatin Jana Bobosikowa.
Professor in der Gunst der Jungen
Der schillerndste Kandidat ist der von Kopf bis Fuss tätowierte Kunstprofessor und Komponist Vladimir Franz. Es wird erwartet, dass der 53-Jährige, der vor allem bei den Jungen Anklang findet, als Dritter aus dem Urnengang hervorgeht.
Kurz vor Beginn der Wahlen sagte er der Nachrichtenagentur AFP, Bildung, Toleranz und Kultur seien seine Prioritäten. „Ein reines Herz schadet der Politik nicht“, kommentierte er das Fehlen jeglicher politischer Vorerfahrung.
Bei den übrigen Kandidaten handelt es sich um Aussenminister Karel Schwarzenberg, Schauspielerin Tatana Fischerova, EU-Parlamentarierin Zuzana Roithova, den Vize-Präsidenten der Sozialdemokraten, Jiri Dienstbier, und Premysl Sobotka von der von Klaus gegründeten Partei Bürgerliche Demokraten.
Aufreger-Thema im Wahlkampf war die undurchsichtige Kampagnen-Finanzierung, die von der Anti-Korruptions-Organisation Transparency International kritisiert wurde. Vorläufige Ergebnisse werden am frühen Samstagabend erwartet.
Mehr Legitimität für den Präsidenten
Bislang war der Staatschef vom Parlament gewählt worden. Seine Befugnisse beschränken sich weitgehend auf die Ernennung oder Entlassung von Regierungsmitgliedern, Generälen und Richtern. Er hat aber auch ein Vetorecht bei Gesetzgebungsverfahren und wählt Funktionäre der Zentralbank aus.
Die Direktwahl gebe dem künftigen Präsidenten „ein stärkeres Mandat, oder wie die Leute manchmal sagen, grössere Legitimität“, sagte Politikexperte Jiri Pehe.
Das EU- und NATO-Mitglied Tschechien leidet seit einem Jahr unter einer Rezession und einer Arbeitslosigkeit von 9,4 Prozent. Für 2013 sagt die Zentralbank aber ein Mini-Wachstum von 0,2 Prozent voraus.