Die falsche Angst vor dem Link zur Konkurrenz

Weiterführende Informationen und Tipps sind Dienst am Kunden und schafft einen Mehrwert. Das schafft Vertrauen.  Man muss nicht immer in dieses Internet gehen, um etwas über die Zukunft der Medien zu lernen. Eine Gratislektion gibt es etwa in der Herrenabteilung eines grossen Kaufhauses hier in Basel. Ich war neulich da, um mir eine Krawatte zu […]

Weiterführende Informationen und Tipps sind Dienst am Kunden und schafft einen Mehrwert. Das schafft Vertrauen. 

Man muss nicht immer in dieses Internet gehen, um etwas über die Zukunft der Medien zu lernen. Eine Gratislektion gibt es etwa in der Herrenabteilung eines grossen Kaufhauses hier in Basel. Ich war neulich da, um mir eine Krawatte zu kaufen. Ich erklärte einem Verkäufer, dass ich eine schmal geschnittene, schwarze suche. Er antwortete: «Ich zeige Ihnen gerne die Modelle, die wir haben. Aber ehrlich gesagt, für schmale Krawatten würde ich mal bei H&M schauen. Ich kaufe meine da.»

Was das mit Medien zu tun hat? Sehr viel. Wie beim Krawattenverkäufer stellt sich jedem Medium die Frage, ob es bereit ist, Konsumenten wegzuschicken, wenn jemand anderes ihr Bedürfnis besser befriedigen kann. Ganz konkret zeigt sich dies bei der Frage, ob man von der Website des eigenen Mediums direkt auf externe Seiten – und noch konkreter: Geschichten der Konkurrenz – verlinkt.

Der streitbare Jeff Jarvis hat dafür schon 2007 die Maxime „Cover what you do best and link to the rest“ ausgegeben, die BBC hat letztes Jahr immerhin in einem Strategiepapier festgehalten, dass sie bis 2013 doppelt so oft auf externe Seiten verlinken will.

Als wäre der Hyperlink nie erfunden worden

Noch immer aber entscheiden sich zu viele Medien zu oft dagegen. Die einen verlinken kaum je in Onlineartikeln. Andere verlinken sehr viel, aber fast ausschliesslich auf eigene Erzeugnisse, als gäbe es keine anderen Medien auf der Welt. Die Dritten zitieren andere Medien zwar (von irgendwoher hat man seine Geschichte ja paraphrasiert), tun aber so, als wäre der Hyperlink nie erfunden worden.

Man will ja schliesslich nicht der Konkurrenz Leser vermitteln. Kurzfristig lässt sich das möglicherweise verhindern, indem man keine Links setzt. Mittelfristig ist das Gegenteil wahr. Wer seine Leser nicht auch auf Interessantes in anderen Medien hinweist, vertreibt sie.

Das Internet hat dafür gesorgt, dass wir Konsumenten Nachrichten und Information von überall her beziehen können. Wir sind nicht an wenige lokal verfügbare Medien gebunden, genausowenig an Massenmedien.

Wenn ich wollte, könnte ich mir jede Information selber beschaffen und bei jedem Thema auf eine andere Quelle zurückgreifen. Es würde aber bedeuten, dass ich viel Zeit mit Suchen verbrächte und damit, einzuschätzen, ob eine Quelle glaubwürdig ist oder nicht.

Diese Zeit habe ich als Medienkonsument nicht. Ich vertraue darum einigen ausgewählten Medien, von denen ich weiss, dass sie mir diese Arbeit abnehmen. Und mich auf Relevantes und Wissenswertes hinweisen, auch wenn es nicht von ihnen selber stammt.

Das Beste bieten

Im Alltag bedeutet es für Journalisten, andere Medien zu verlinken, wann immer es dem Leser einen Mehrwert bietet. Noch essenzieller ist es in Ausnahmesituationen, wenn die Nachrichtenlage so unübersichtlich ist und sich so schnell verändert, dass ein Medium gar nicht in der Lage ist, alles abzudecken.

Warum gehe ich mittlerweile immer zuerst auf die Website des Guardian, um mich über ein weltweites Grossereignis zu informieren (sei es Tahrir Square, Fukushima oder die Tötung Bin Ladens)? Weil ich weiss, dass die Journalisten des Guardian mich auf alles Wichtige hinweisen; dass ich nichts verpasse, auch wenn es anderswo steht.

Es ist wie mit der Krawatte: Ich gehe zu dem Verkäufer zurück, von dem ich weiss, dass er mir stets das Beste bieten will. Selbst wenn er mich dafür zur Konkurrenz schicken muss.

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