Die Flüchtlingsquote ist vom Tisch

Die EU-Staats- und Regierungschefs haben sich nach hitziger Debatte auf die Umverteilung von 40’000 Flüchtlingen in Europa geeinigt. Die Aufnahme erfolgt auf freiwilliger Basis und nicht wie von der EU-Kommission und Italien gefordert auf Grundlage einer festen Quote.

«Verschwendet nicht unsere Zeit»: Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi ist erbost über die fehlende Solidarität der EU-Partner.

(Bild: sda)

Die EU-Staats- und Regierungschefs haben sich nach hitziger Debatte auf die Umverteilung von 40’000 Flüchtlingen in Europa geeinigt. Die Aufnahme erfolgt auf freiwilliger Basis und nicht wie von der EU-Kommission und Italien gefordert auf Grundlage einer festen Quote.

Die Migranten sollten aus den stark belasteten Ländern Italien und Griechenland in den kommenden beiden Jahren auf andere EU-Staaten verteilt werden, teilte EU-Ratspräsident Donald Tusk in der Nacht zum Freitag in Brüssel mit. Die EU-Innenminister würden dazu bis Ende Juli die Details festlegen.

Nach Angaben von Diplomaten kann die Verteilung frühestens im Spätsommer beginnen. Darüber hinaus sollten weitere 20’000 Flüchtlinge von ausserhalb der EU Aufnahme finden, etwa aus Flüchtlingslagern rund um Syrien.

Allerdings gibt es zumindest drei Ausnahmen: Grossbritannien muss sich wegen eines «Opt-Out» ohnehin nicht an der Verteilung beteiligen. Auf dem EU-Gipfel wurde zudem entschieden, dass Ungarn und Bulgarien keine zusätzlichen Flüchtlinge aufnehmen müssen.

Die laut Diplomaten teils sehr emotional geführte Debatte über die Flüchtlingspolitik nahm auf dem Gipfel mehrere Stunden in Anspruch. Der italienische Regierungschef Matteo Renzi warf einem Teil seiner Kollegen, die verpflichtende Quoten zur Verteilung ablehnten, einen Mangel an Solidarität vor.

«Wenn das eure Idee von Europa ist»

«Wenn ihr nicht mit der Zahl von 40’000 einverstanden seid, dann verdient ihr es nicht, Europa genannt zu werden», sagte er nach Angaben eines Teilnehmers. «Wenn das eure Idee von Europa ist, dann könnt ihr es für euch behalten. Entweder gibt es Solidarität – oder verschwendet nicht unsere Zeit», sagte Renzi.

Die osteuropäischen EU-Staaten wehren sich gegen bindende Quoten bei der Verteilung von Flüchtlingen. Besonders betroffene Staaten wie Italien, Griechenland, Ungarn, Deutschland, Österreich oder Schweden bestehen dagegen auf eine Verteilung über die ganze EU.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach von einer «sehr engagierten Diskussion» und nannte die Flüchtlingsfrage eine der «grössten Herausforderungen, die ich in meiner Amtszeit bezüglich der Europäischen Union gesehen habe». Sie sehe hier «eine riesige Aufgabe auf uns zukommen» und Europa müsse zeigen, ob es dieser Aufgabe gewachsen sei. Denn bei den Mitgliedstaaten gebe es je nach Betroffenheit «sehr unterschiedliche Betrachtungsweisen», sagte Merkel. «Da wird also noch viel Arbeit sein.»

Junckers Enttäuschung

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker äusserte sich nach dem ersten Gipfeltag enttäuscht, dass der Kommissionsvorschlag mit Quoten abgelehnt worden war. Nun habe man nur «bescheidende Ambitionen» gezeigt. «Wir müssen schauen, ob das System funktioniert», sagte er mit Blick auf die nun vereinbarte Freiwilligkeit.

EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte schon vor dem Gipfel gemahnt, dass die EU-Staaten bis Ende Juli Angebote machen sollten, wie viele Flüchtlinge sie aufnehmen wollten. «Wir brauchen Solidarität mit den Frontstaaten», sagte Tusk am Freitagmorgen.

Die Staats- und Regierungschefs der EU hatten den ersten Tag ihrer Gipfelberatungen in Brüssel am frühen Freitagmorgen nach einer hitzigen Debatte über die Flüchtlingspolitik abgeschlossen. Zuvor sprachen sie laut Diplomaten zwei Stunden über die Griechenland-Krise. Der britische Premier David Cameron stellte nur kurz sein Vorhaben für ein EU-Referendum in seinem Land vor, das bis 2017 geplant ist.

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