Island gelingt im Achtelfinal die Sensation. Der EM-Debütant erobert einmal mehr die Fussballherzen und schlägt in Nizza das Starensemble aus England mit 2:1. Englands Trainer Roy Hodgson tritt unmittelbar nach dem Spiel zurück, und für Island mit Birkir Bjarnason vom FC Basel geht es im Viertelfinal gegen Frankreich weiter.
Grösste anzunehmende Überraschung: Island behält die Oberhand über England.
(Bild: Reuters/Eric Gaillard)Dabei lief alles nach den Vorstellungen der Engländer: Wayne Rooney verwandelt schon in der vierten Minute einen Elfmeter sicher.
(Bild: Reuters/Yves Herman)Die Elfmeterentscheidung war klar: Goalie Hannes Halldorsson bringt Raheem Sterling zu Fall.
(Bild: Reuters/Michael Dalder)So aufgeblustert Wayne Rooney sein frühes Elfmetertor feiert...
(Bild: Reuters/Kai Pfaffenbach)...so gedemütigt wirkt Wayne Rooney, als die Blamage perfekt ist.
(Bild: Reuters/Eric Gaillard)Der postwendende Ausgleich der Isländer: Nur 100 Sekunden nach dem Rückstand trifft Innenverteidiger Ragnar Sigurdsson.
(Bild: Reuters/Yves Herman)Ragnar Sigurdsson wird gefeiert von Birkir Bjarnason und Kolbeinn Sigthorsson (rechts), der wenig später eine weitere Hauptrolle einnimmt.
(Bild: Reuters/Yves Herman)Football Soccer - England v Iceland - EURO 2016 - Round of 16 - Stade de Nice, Nice, France - 27/6/16 Iceland's Ragnar Sigurdsson celebrates after scoring their first goal REUTERS/Kai Pfaffenbach Livepic
(Bild: Reuters/Kai Pfaffenbach)Die 16. Minute und der Schuss zu Islands Fussballglück: Kolbeinn Sigthorsson gegen die englischen Verteidiger Gary Cahill ud Chris Smalling.
(Bild: Reuters/Yves Herman)Der nicht sonderlich harte oder platzierte Schuss von Kolbeinn Sigthorsson wird für Englands Torhüter Joe Hart zum bittersten Moment seiner Karriere.
(Bild: Reuters/Michael Dalder)Der isländische Sensationserfolg entsprang nicht etwa dem Zufall. Er erfolgte auch nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Er war am Ende nicht einmal unverdient. Die Isländer spielten das, was sie können, und taten das ausserordentlich gut. Auf jeden Fall stellten sie sich nicht so ungeschickt an wie die Engländer.
Do, 30.Juni, 21.00 h, Marseille:
Polen–Portugal
Fr, 1. Juil, 21.00 h, Lille
Wales–Belgien
Sa, 2. Juli, 21.00 h, Bordeaux
Deutschland–Italien
So, 3. Juli, 21.00 h, Paris, Saint-Denis
Frankreich–Island
Dabei hatte für den haushohen Favoriten die Partie perfekt begonnen. Nach bloss 179 Sekunden erhielten die Engländer einen Penalty zugesprochen, weil sich Islands Goalie Hannes Halldorsson unnötigerweise Stürmer Raheem Sterling in die Beine geworfen hatte. Wayne Rooney verwertete in seinem 115. Länderspiel – er schloss zu David Beckham auf und liegt nur noch zehn Länderspiele hinter Peter Shilton zurück (125 Länderspiele von 1970 bis 1990) – den Strafstoss souverän. England gelang der ersehnte Blitzstart. Alle Zeichen standen auf Sieg.
Dieser entglitt den Engländern indessen innerhalb von zwölf Minuten. Nur 34 Sekunden nach dem Anstoss nach dem Gegentreffer glich Island aus. Captain Aron Gunnarsson warf den Einwurf wuchtig wie ein Speerwerfer in Richtung englisches Goal, Kari Arnason verlängerte mit dem Kopf, und am zweiten Pfosten drosch Innenverteidiger Ragnar Sigurdsson den Ball zum 1:1 ins Netz. Und in der 18. Minute liess sich Englands Verteidigung von einem Doppelpass von Kolbeinn Sigthorsson (Torschütze) mit Jon Dadi Bödvarsson (Assistent) übertölpeln. Keeper Joe Hart wehrte den Schuss nicht ab, obwohl er mit der Hand am Ball war.
England zeigte keine Reaktion
Derartige defensive Aussetzer dürfen einer grossen Fussballnation an einem grossen Turnier nicht unterlaufen. Gunnarssons Einwürfe kommen seit dem ersten EM-Spiel weit und sind gefürchtet. Schon am Mittwoch gegen Österreich bildete ein Einwurf Gunnarssons den Ausgangspunkt zum ersten isländischen Tor. Und nach dem zweiten Gegentor hämmerte sich Englands Keeper Joe Hart mit der Faust an die Stirn. Schon beim 0:1 gegen Wales hatte er das entscheidende Gegentor, den Freistoss von Gareth Bale, auf seine Kappe nehmen müssen.
England lag nach 18 Minuten 1:2 zurück. Und was besonders bitter war: Die ersten 18 Minuten waren noch die besten der Engländer. Denn sie hatten die Partie dominiert. Zwischen dem 1:1-Ausgleich und dem 1:2 kamen die Engländer zu drei, vier guten Chancen. Rooneys Corner sorgten für Gefahr. Dele Alli verfehlte mit einem Scharfschuss das Goal um wenige Zentimeter. Und auch Kane verfehlte kurz vor dem zweiten Gegentor das Ziel.
Das Netz kocht über – Islands Triumph bei Twitter:
Der Rückstand lähmte danach die Engländer. Sterling wurde nach dem herausgeholten Penalty nicht mehr gesehen und nach einer Stunde durch Jamie Vardy ersetzt. Auch Wayne Rooney vermochte auf der für ihn noch nicht so gewohnten Position im Mittelfeld unter Druck die Fäden nicht mehr nach Wunsch zu ziehen und wurde in der Schlussphase ausgewechselt.
Den Engländern boten sich zwar Ausgleichschancen. Harry Kane kam in der 79. Minute in aussichtsreicher Position zu einem Kopfball. Aber die allerbesten Torchancen besassen auch in der zweiten Halbzeit Island – zuerst bei einem spektakulären Rückzieher von Ragnar Sigurdssson (56.), später nach einem Solo von Aron Gunnarsson (84.).
Island nun gegen Frankreich
Am Ende erstaunte gewiss nicht nur das Resultat. Warum verfügten die Isländer über so viel mehr Energie, obwohl sie doch alle bisherigen vier EM-Spiele mit der gleichen Aufstellung bestritten, derweil Englands Coach Roy Hodgson fleissig rotierte. Warum fanden die Engländer gegen Islands Captain Aron Gunnarsson kein Mittel, obwohl der beim zweitklassigen Cardiff City nicht einmal einen Stammplatz bekommt?
Während die Engländer nun nach Hause reisen, spielen die Isländer am Sonntag im Viertelfinal im Stade de France gegen Gastgeber Frankreich.
Hodgson erklärt nach Spiel den Rücktritt
Die Schmach für die Engländer, sich der Lächerlichkeit preisgegeben zu haben, ist die eine Sache. Dass der ehemalige Schweizer Nationaltrainer Roy Hodgson nicht mehr zu halten ist, war mit dem Abpfiff in Nizza klar. Eine makellose Qualifikation ohne Niederlagen und eine durchwachsene Gruppenphase spielen nach einer solchen Blamage keinen Rolle mehr.
Eine Entlassung stand nicht zur Diskussion, da Hodgsons Vertrag ausläuft. In der Medienkonferenz unmittelbar nach dem Spiel verlas der 68-Jährige eine Erklärung und verkündete seinen Rücktritt. «Mein Vertrag hing von diesem Ergebnis ab. Es ist jetzt Zeit, einem talentierten jungen Trainer Platz zu machen», las Hodgson von einem Blatt Papier ab, «es war eine gute Zeit, die Jungs taten, was sie konnten. Es tut mir leid, dass es so enden muss.»
England – Island 1:2 (1:2)
Nizza. – 30’000 Zuschauer. – SR Skomina (SLO).
Tore: 4. Rooney (Foulpenalty) 1:0. 6. Ragnar Sigurdsson (Arnason) 1:1. 18. Sigthorsson (Bödvarsson) 1:2.
England: Hart; Walker, Cahill, Smalling, Rose; Alli, Dier (46. Wilshere), Rooney (86. Rashford); Sturridge, Kane, Sterling (60. Vardy).
Island: Halldorsson; Saevarsson, Arnason, Ragnar Sigurdsson, Skulason; Gudmundsson, Gylfi Sigurdsson, Gunnarsson, Birkir Bjarnason; Sigthorsson (76. Elmar Bjarnason), Bödvarsson (88. Traustason).
Bemerkungen: Beide Mannschaften komplett. Verwarnungen: 38. Gylfi Sigurdsson. 47. Sturridge. 65. Gunnarsson (alle Foul).