Sei Beginn des 21. Jahrhunderts sind die Gletscher so rasant geschmolzen wie noch nie seit Messbeginn. Der Eisverlust findet auf der ganzen Welt statt und wird laut Experten sogar ohne weiteren Klimawandel weitergehen.
Die Gletscher schmelzen und nicht mal das Ende des Klimawandels kann den Eisverlust stoppen. Dies zeigt die neueste Studie des globalen Gletscher-Überwachungsservices (World Glacier Monitoring Service) auf, der seinen Sitz an der Universität Zürich hat. Der Service sammelt seit über 120 Jahren weltweite Daten zu Gletscherveränderungen, wie die Hochschule am Montag mitteilte.
Die jüngste, umfassende Analyse vergleicht die Beobachtungen der Dekade von 2001 bis 2010 mit sämtlichen bisher verfügbaren Daten. Diese stammen aus Feldbegehungen, Beobachtungen von Flugzeugen und Satelliten aus sowie Rekonstruktionen basierend auf Bild- und Schriftquellen seit dem Jahr 1600. Der Bericht ist im «Journal of Glaciology» veröffentlicht.
Ein halber bis ein Meter Eisverlust
«Die Eisdicke der beobachteten Gletscher nimmt derzeit jedes Jahr zwischen einem halben und einem ganzen Meter ab», zitiert die Mitteilung Michael Zemp, den Direktor des World Glacier Monitoring Service. Das sei zwei- bis dreimal mehr als der entsprechende Durchschnitt im 20. Jahrhundert.
«Exakte Messungen dieser Eisverluste gibt es zwar nur von ein paar hundert Gletschern», sagte Zemp. Die Resultate würden aber durch feld- und satellitengestützte Beobachtungen von zehntausenden von Gletschern weltweit qualitativ untermauert.
Globales Gletscherschmelzen
Gemäss dem Autorenteam aus 30 Ländern ist das Tempo, mit dem die Gletscher in aller Welt derzeit dahinschmelzen, beispiellos – auf jeden Fall seit Beginn der Messperiode und wohl auch im Zeitraum der gesamten schriftlich und bildlich belegten Geschichte.
Der langfristige Rückgang der Gletscherzungen sei ein globales Phänomen, betonen die Autoren. Zwischenzeitliche erneute Vorstösse der Gletscher seien regional und zeitlich beschränkt und reichten bei weitem nicht an die Hochstände der kleinen Eiszeit zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert heran.
Die norwegischen Gletscherzungen zum Beispiel hätten sich seit ihrem letzten Hochstand im 19. Jahrhundert um einige Kilometer zurückgezogen. Einzig in der Küstenregion stiessen die Gletscher zwischenzeitlich in den 1990er-Jahren wenige hundert Meter vor.
Aus dem Gleichgewicht
Gemäss der Studie haben die grossen Eisverluste der letzten beiden Jahrzehnte dazu geführt, dass die Gletscher in verschiedenen Regionen der Welt stark aus dem Gleichgewicht geraten sind. «Diese Gletscher werden weiterhin Eis verlieren, selbst ohne fortschreitenden Klimawandel», erklärte Zemp.
Die aktuelle Datenbank des World Glacier Monitoring Services umfasst über 5000 Messungen von Volumen- und Massenänderungen seit 1850 und über 42’000 Beobachtungen und Rekonstruktionen von Gletscherlängenänderungen, die bis ins 16. Jahrhundert zurück reichen. Der internationale Dienst mit Sitz an der Universität Zürich wird durch das Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie MeteoSchweiz mitfinanziert.