In einem griechischen Roma-Dorf entdeckten Polizisten vor kurzem ein etwa vierjähriges blondes Mädchen in einer fremden Familie. In Griechenland ist es leicht, sich mit solchen Phantomkindern Kindergeld zu erschleichen.
Wer ist das blonde Mädchen aus dem Roma-Lager, wo sind die Eltern des vermutlich vierjährigen Kindes, das auf den Namen Maria hört?
Rund 8000 telefonische Anfragen hat die Hilfsorganisation «Das Lächeln des Kindes», in deren Obhut sich das kleine Mädchen seit dem Wochenende befindet, bereits bekommen. Mehr als 200’000 Mal wurde in den vergangenen Tagen die Internetseite der Organisation besucht, und Ehepaare aus sieben Ländern haben bereits DNA-Proben nach Griechenland geschickt – in der Hoffnung, dass es sich bei der kleinen Maria um ihre vermisste Tochter handelt. Aber immer noch ist die Geschichte des «blonden Engels ohne Identität», so die Zeitung «Ta Nea», ein Rätsel.
Polizisten hatten das Kind vergangene Woche während einer Routine-Razzia bei einer Roma-Familie im mittelgriechischen Farsala entdeckt. Das Roma-Paar gab das blonde Kind zunächst als ihr eigenes aus, was aber durch Genanalysen widerlegt wurde. Die 40-jährige Frau und ihr 39 Jahre alter Mann befinden sich im Polizeigewahrsam. Sie wurden am Montagmittag dem Ermittlungsrichter vorgeführt.
Erfundene Kinder bessern die Haushaltskasse auf
In den bisherigen Vernehmungen verwickelten sich die Eheleute in immer neue Widersprüche: Mal erklärten sie, das Kind stamme aus einer ausserehelichen Affäre der Mutter mit einem kanadischen Touristen, dann hiess es, sie hätten das Kind vor einem Supermarkt gefunden. Eine weitere Version lautet, eine junge Mutter habe ihnen das Neugeborene anvertraut, weil sie es nicht selbst versorgen konnte. Gegen das Paar wird nun wegen Kindesentführung und Kinderhandel ermittelt.
Gegenüber dem Ermittlungsrichter erklärte das Ehepaar, bei den leiblichen Eltern des Mädchens handle es sich um Roma aus Bulgarien, die ihnen das Kind anvertraut hätten, weil sie es selbst nicht versorgen konnten. Die bulgarischen Eltern sollen angeblich in Griechenland leben.
Unterdessen scheint sich das tatsächliche Alter des Kindes zu klären. Wie der Vorsitzende der Hilfsorganisation «Das Lächeln des Kindes», in deren Obhut das Mädchen ist, im Radiosender «Skai» erklärte, lassen zahnärztliche Untersuchungen auf ein Alter von fünf bis sechs Jahren schließen.
Der Fall der kleinen Maria wirft ein Schlaglicht auf den in Griechenland offenbar weit verbreiteten Sozialbetrug mit erschlichenen Kindergeldbezügen. Die Roma-Frau hatte zwei Personalausweise und zwei Familienstammbücher. Sie will angeblich in zwanzig Monaten nacheinander sechs Kinder zur Welt gebracht haben. Ihr Mann hat ein weiteres Stammbuch mit vier Kindern. Insgesamt hatte das Paar in drei Gemeinden 14 Kinder gemeldet und kassierte dafür im Monat fast 2’800 Euro Kindergeld.
In der Behausung der Familie traf die Polizei aber nur vier Kinder an, darunter die kleine Maria. Die Ermittler vermuten, dass die anderen zehn Kinder nur auf dem Papier existieren. Es sei in Roma-Siedlungen durchaus üblich, dass man sich gegenseitig Kinder «ausleihe», um sie bei den Behörden zu registrieren, sagen Kenner der Szene. So könnten mehrere Familien für ein und dasselbe Kind Zuschüsse kassieren. Darüber hinaus gebe es Tausende, vielleicht sogar Zehntausende Phantomkinder, die nur auf dem Papier existieren, vermuten Fachleute.
Der Betrug soll künftig erschwert werden
Viele Kinder kriegen und viel Kindergeld kassieren: Im Griechenland ist das nicht schwer, denn man kann bei den Behörden nach Belieben Kinder melden, die angeblich in der eigenen Wohnung zur Welt gekommen sind. Eine eidesstattliche Erklärung der angeblichen Mutter und die Bestätigung durch zwei Zeugen reichten bisher aus.
Nach diesem Verfahren wurde auch die blonde Maria registriert. Jetzt will die Regierung die Vorschriften ändern: Mutter und Kind müssen sich künftig einem DNA-Test unterziehen.