Die Helden sind zurück

Richtige Typen gab es keine mehr. Doch jetzt kehren sie zurück. Auf dem Töffli – wie denn sonst?

Stark! Ein Teilnehmer des 2. Red-Bull-Alpenbrevets vom Juni 2011 in Meiringen. (Bild: Keystone)

Richtige Typen gab es keine mehr. Doch jetzt kehren sie zurück. Auf dem Töffli – wie denn sonst?

Es schien schon tot, das Töffli. Doch jetzt ist es zurück.

Bester Beweis dafür: das Alpenbrevet von diesem Wochenende, organisiert von Red Bull. 800 Töfflibuebe – oder «Helden», wie der Dosenhersteller mit Sinn für PR sie nennt – werden vom Flugplatz Saanen (1014 m. ü. M) durch Gstaad über den Col du Pillon (1546 m.ü.M), den Col de la Croix (1778 m.ü.M) und den Col des Mosses (1445 m.ü.M) zurück nach Saanen tuckern.

800 Verrückte aus dem In- und Ausland zusammen auf einer Tour, das sind ja extrem viele, könnte man denken. Man muss es aber wohl anders sehen: Gerne wären noch sehr viel mehr mitgefahren. Red Bull liess aber auch bei der vierten Ausgabe ihres Alpenbrevets nur 800 «Helden» zu.

Wie DJ Bobo die Mädchen herumkriegte

So viel zum besten Beweis für das erneute Audrehen der Töffli. Dann gibt es aber auch noch den zweitbesten: DJ Bobo und seine neues-altes Stück «Take Control», ein Remix, der an diesem Freitag veröffentlicht wird. Das Video drehte Bobo zusammen mit  200 anderen Töfflibuebe, unter ihnen auch Tom Lüthi, der es mit dem ganzen Bubenzeug immerhin zu einem Weltmeistertitel gebracht hat (125-cm³).

Nun muss einem Bobos Musik nicht zwingend gefallen. Etwas muss man ihm aber lassen: Der Mann hat einen feinen Sinn für den Erfolg und das nicht erst seit gestern oder heute. «Mit 15 hatte ich einen Puch Maxi», verriet er dem «Blick»: Darauf sei er übers Land gebraust und habe den Mädchen schöne Augen gemacht: «Bei denen kam das immer super an. Es war eine geile Zeit.»

Der Mythons lebt wieder

Kein Wunder, versucht es Bobo nun nochmals mit dem Töffli. Und wieder scheint er gut anzukommen, auch wenn er inzwischen von Puch auf Piaggo umgestiegen ist (heikel!, mehr dazu weiter unten). Der Videodreh auf dem Flughafen in Buochs wurde medial breit begleitet, neben dem «Blick» waren unter anderem auch das «Schweizer Fernsehen» und «20 Minuten» mit dabei.

Der Bubentraum vom Töffli – er lebt immer noch, auf der Strasse, im Video, in den Medien. Oder besser gesagt: er lebt wieder.

Was waren das für Zeiten!

Der Allschwiler Beat Lautenschlager spricht von einer «Nostalgiewelle», an der er selbst nicht ganz unbeteiligt sei. Fast zehn Jahre ist es her, als mit ein paar alten Kollegen wieder eine Töffligang gründete und im Internet eine eigene, sehr interessante Seite aufschaltete – die erste dieser Art in der Schweiz. Wie früher gingen die Jungs wieder auf Tour. Und wo immer sie seither auftauchen – die Begeisterung ist gross. «Auf den Zeltplätzen zum Beispiel müssen wir nie lange warten, bis die ersten Väter mit ihren Söhnen kommen, unsere Maschinen bestaunen und von früher erzählen, ihren eigenem Töffli und den Abenteuer, die sie damit erlebten.»

Wie war das noch aufregend! Die Ausflüge mit den Kollegen, am Wochenende in die Disco, in den Ferien über den Gotthard ins Tessin. Und wie einfach auch alles noch war damals. Die Ciao-Fahrer, das waren die Mädchen und Popper, für die das Töffli nicht viel mehr war als die Fortsetzung der Gel-Frisur mit anderen Mitteln. Die Maxi- und Sachs-Fahrer dagegen, das waren wirklichen Typen, Töfflibuebe eben, die alles dafür taten, dass ihr Teil noch ein bisschen schöner und noch ein bisschen schneller wurde.

Auch die Dorfpolizisten waren begeistert

Stundenlang fummelten sie rum, aus purer Liebe zu ihrer Maschine (und vielleicht auch ein bisschen, weil nicht alle so einfach wie Bobo an die Mädchen rankamen, weil die aus unerklärlichen Gründen eher auf die Ciao-Gecken standen). Umso mehr Freude hatten dafür die Dorfpolizisten an den Töfflibuebe. Dank ihnen hatten sie selbst im langweiligsten Ort noch etwas zu tun, wo nie jemand ein anständiges Verbrechen zustande bringen wird.

Die Töfflibuebe waren kleine Rebellen und Träumer und man versuchte, sie mit strengen Kontrollen und neuen Bestimmungen in Griff zu bekommen. Der wohl entscheidende Schlag war die Helmpflicht in den 80er Jahren. Die wunderbar langen Haare nur wegen der Sicherheit zu verhüllen – das kam gar nicht in Frage.

Es folgte der nächste Schlag, die Angst vor dem Waldsterben und damit der Öko- und Veloboom. Später, als man merkte, dass die Bäume doch noch stehen, setzten sich die Jugen und nicht mehr ganz so Jungen zwar wieder vermehrt aufs motorisiertes Zweirad – aber nicht mehr aufs Töffli, sondern auf die Roller. Sehr zum Bedauern von Beat Lautenschlager, dem ewigen Töfflibueb. «Der typische Roller ist billig und charakterlos», sagt er. Entsprechend gross ist seine Genugtuung, dass ein Occasion-Töffli heute wieder schneller weggehe, als es ihn mit Kolbenfenster, grösserem Vergaser und allem Schnickschnack nachts auf leerer Strasse von Allschwil in die Stadt bringen würde.

Für einmal kein fliegender Österreicher

Was ihn auch freut: das Alpenbrevet von Red Bull, bei dem Lautenschlager «selbstverständlich» mit dabei ist: «Das ist eine tolle Sache, auch wenn ein bisschen PR selbstverständlich mit dabei ist.»

Es ist eine interessante Frage: Warum setzt die In-Marke Red Bull, die sich sonst im Bereich der PR die unmöglichsten Dinge einfallen lässt, um mit dem Leben von Extremsportlern zu spielen (wie Österreicher vom Himmel fallen lassen) nun plötzlich auch auf Mofa, die nicht einmal richtig frisiert sein dürfen (also eigentlich gar keine richtigen Töffli sind)?

Die Antwort ist möglicherweise ganz einfach: Das Töffli ist eben tatsächlich wieder hip – aber immer noch sehr speziell. Das macht es attraktiv, auch für PR-Strategen. Das zeigt aber auch, dass seine Zeite eben doch ein bisschen durch ist. Die Vergangenheit lebt zwar noch einmal auf, die Gegenwart und die Zukunft gehören aber dem Roller, dieser Antithese zum Töffli, günstig in der Anschaffung, anspruchslos im Unterhalt, nichts für Fummler, nichts für Ästheten, sondern nur etwas für Pragmatiker.

Fast wie Crocs, einfach auf Rädern.

Es sind keine schönen Zeiten, schon gar nicht für Helden – ausser an diesem Wochenende vielleicht.

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