Die Hugenotten: Innovative Asylsuchende

Im Jahr 1525 verliessen die ersten evangelischen Glaubensflüchtlinge Frankreich: die Hugenotten. Die ­katholische Kirche hatte sie in der Zeit der Gegenreformation immer stärker unter Druck gesetzt – das Leben mit ihrem Glauben war für die meisten ­unerträglich geworden. Insgesamt waren es mehr als eine Viertelmillion Menschen, die bis 1685 Frankreich verliessen und in den umliegenden […]

Im Jahr 1525 verliessen die ersten evangelischen Glaubensflüchtlinge Frankreich: die Hugenotten. Die ­katholische Kirche hatte sie in der Zeit der Gegenreformation immer stärker unter Druck gesetzt – das Leben mit ihrem Glauben war für die meisten ­unerträglich geworden.

Insgesamt waren es mehr als eine Viertelmillion Menschen, die bis 1685 Frankreich verliessen und in den umliegenden protestantischen Ländern Zuflucht fanden. Da sie aus dem hoch ent­wickelten Frankreich kamen und meist der bürgerlichen Oberschicht oder dem Adel entstammten, erachtete man sie als nützlich; die Fluchtländer umwarben sie zum Teil und statteten sie mit Privilegien aus.

In den reformierten Kantonen Genf, Neuenburg, Waadt, Bern, Graubünden, Schaffhausen, St. Gallen, Zürich, und Basel liessen sich etwa 20 000 Hugenotten dauerhaft nieder. Sie machten in einigen Städten einen gros­sen Teil der Einwohnerzahl aus: bis zu 30 Prozent. Genf etwa wuchs dank der Zuwanderung zwischen 1680 und 1720 um 4000 Einwohner.

Die damalige Asylpolitik lässt sich so zusammenfassen: Die Städte bürgerten die Flüchtlinge schleppend ein. Das Verfahren kostete viel Geld. Meist nahm man die Hugenotten auf, bewegte sie aber auch zur baldigen Weiterreise. Schon damals gab es eine Diskussion da­rüber, was «echte» und «unechte» Flüchtlinge seien.

Im 16. Jahrhundert florierte die hie­sige Wirtschaft. Viele huge­nottische Einwanderer trugen zum Wachstum von Handwerk und Gewerbe bei. Vor allem im Textilgewerbe, im Handel und im Bankenwesen spielten sie eine wichtige Rolle. Das Textilgewerbe erfuhr eine Bereicherung und Belebung. Seidengewebe wie Lamé, Taft und Rips, gefärbte und bedruckte Baumwollstoffe, Mousseline, seidene Halstücher und Strümpfe und seidene Bänder – alles schicke Neuheiten aus hugenottischer Produktion. ­Produziert wurde meist im Verlagssystem: Billige Arbeitskräfte auf dem Land arbeiteten hart, während die ­Unternehmer und Händler in den Städten wohnten.

Im Handel – Import von Rohstoffen und Export von Fertigwaren – und bei den Banken standen die Huge­notten an vorderster Front. Diese Wirtschaftszweige gehörten um 1700 noch eng zusammen. Einige wenige Familien hatten diese Branche in der Hand, darunter viele Hugenotten wie die Sarasins in Basel.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 23/12/11

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