Wer mit einem persönlichen Billett Zug fährt, lernt eine ganz neue Seite der Bahn kennen.
Vergeblich wartete ich auf das obligate «Danke» oder «Merci» des Kondukteurs. Stattdessen verlangte er, dass ich ihm auch noch die andere Seite meines Halbtax-Abos zeige. Typisch, dachte ich. Der Kontrollwahn der SBB nimmt immer groteskere Züge an. Zuvor war ich monatelang Zug gefahren und nie, aber auch gar nie, hatte mich ein Kondukteur aufgefordert, doch bitte auch noch die Kehrseite meines Halbtax-Abonnements zu zeigen.
Doch der Kontrolleur zerstreute meinen bösen Verdacht sofort: Mein Umweltschutzabo sei persönlich, also nicht übertragbar. Deswegen müsse er kontrollieren, ob ich auch wirklich ich sei und kein anderer. Denn auf der Rückseite mit dem Gültigkeitsdatum und Passfoto prangt nur meine unleserliche Unterschrift. Mein Name steht auf der Vorderseite des Halbtax-Abonnements. Er wäre ja auch froh, wenn der Name auf der Rückseite stehen würde und er nicht immer zum Wenden auffordern müsste, gestand mir der SBB-Angestellte. Denn immer mehr Passagiere seien mit persönlichen Billetts unterwegs, selbst ausgedruckten Online-Tickets oder Handy-Billetts so genannten «Mobile Tickets».
Rückfall in längst überwunden geglaubte Zeiten
Hatte ich doch noch die Worte eines ehemaligen SBB-Angestellten aus dem Topkader im Ohr, der nicht verstehen konnte, weshalb die Bahn vor eineinhalb Jahren die Billettpflicht einführte. Es habe fast eine Generation gedauert, bis er endlich aus Polizisten-Kondukteuren, Zugbegleiter für Fahrgäste formen konnte. Alle Reisenden ohne Billett wie Schwarzfahrer zu behandeln, sei ein Rückfall in längst überwunden geglaubte Zeiten.
Dies hat inzwischen auch die heutige SBB-Führung erkannt. Vor kurzem verkündet die Bahn, sie werde ihre Passagiere nicht mehr unter Generalverdacht stellen, sondern wieder wie Fahrgäste behandeln und im Zweifel kulanter werden. Vorausgegangen waren dieser Einsicht zahlreiche Medienberichte, auch in der TagesWoche, dass die Bahn mit ihrem knallharten Regime nicht nur Goodwill bei den Kunden verspielt, sondern bereits auch die ersten vergrault hatte.
Grundsätzliches Misstrauen
Auch der Sprecher des Verbands öffentlicher Verkehr besänftigt mich: Es seien lediglich «gestalterische Gründe», weshalb mein Name auf dem seit Januar 2009 in transparentem Kreditformat gehaltenen Abo nicht auf derselben Seite aufgeführt sei wie die Gültigkeitsdaten. Und die SBB-Medienstelle ergänzt: «Eine entscheidende Rolle spielten sicher die beschränkten Platzverhältnisse. Leider ist es aber zum heutigen Zeitpunkt schwierig, die genauen Kriterien, die für die Gestaltung massgebend waren, nachzuvollziehen.» Ich war trotzdem erleichtert: Es war nicht etwa grundsätzliches Misstrauen gegenüber Kunden, weshalb ich plötzlich die Kehrseite meines Halbtax-Abonnements vorzeigen musste, sondern nur, weil dereinst die Praxistauglichkeit gegenüber dem Kartendesign den Kürzeren gezogen hatte.
«Aber würde es nicht vielleicht doch die Arbeit der Zugbegleiter erleichtern, Ablaufdatum und Name auf ein und derselben Seite aufzudrucken?» Die Antwort des Pressesprechers vom Verband für öffentlichen Verkehr kommt prompt: «Es ist durchaus erwünscht, dass Passagiere beide Seiten ihres Halbtax-Abonnements zeigen müssen. So können die Kondukteure sofort erkennen, ob die Karte echt iast oder nur eine billige Fälschung.»