Der Mann, der «Weltklasse Zürich» zum besten Leichtathletik-Meeting der Welt machte, wird heute 90 Jahre alt. Der Rat von Res Brügger ist noch immer gefragt.
Andreas (Res) Brügger war aktiver Kugelstosser, 1955 Schweizer Meister, amtete als Trainer der LCZ-Hoch- und Stabspringer – und spielt heute noch gelegentlich Golf. «Ich muss mich auf neun Löcher beschränken», sagt er; Knieprobleme (beide Knie wurden vor ein paar Jahren operiert) machen ihm ein wenig zu schaffen. Auch dem Rücken muss er Sorge tragen, doch sonst fühlt sich der Ehrenpräsident des Vereins für Grossveranstaltungen (VfG) des Leichtathletik-Clubs Zürich (LCZ) gesundheitlich wohl. Er pflegt regelmässige Kontakte zu Gerry Weber, seinem Nachfolger als VfG-Präsident, der ihn über das Klubgeschehen auf dem Laufenden hält, aber auch zu seinen Nachfolgern als Meeting-Direktoren, Hansjörg Wirz (dem ehemaligen Präsidenten der Europäischen Leichtathletik-Verbandes), Patrick Magyar, einem «Macher» par excellence wie Brügger selber, und zu den jetzigen Co-Direktoren des Meetings, Andreas Hediger und Christoph Joho.
Aus beruflichen Gründen war Brügger, später Direktor bei der Schweizerischen Rückversicherung (heute Swiss Re), nach mehreren Ausland-Aufenthalten mit 25 Jahren nach Zürich gekommen. Die Leichtathletik interessierte ihn nicht allein im LCZ-Dress, auch die organisatorischen Facetten dieser Sportart faszinierten ihn. Schon als beim «Internationalen Meeting» im Letzigrund Ende der Fünfziger- und Anfang der Sechzigerjahre die ersten Weltrekorde fielen (durch Martin Lauer in den Hürdensprints und Armin Hary über 100 m) spielte Brügger bei der Athletenverpflichtung eine Rolle. Als das Meeting Ende der Sechzigerjahre erstmals auf der Kippe stand, brachte der LCZ mit seinem Vizepräsidenten Brügger den Zürcher Stadtrat dazu, einen Kredit für die Erweiterung des Letzigrunds von sechs auf acht Bahnen zu sprechen.
1970 übernahm Brügger das Präsidium des LC Zürich, 1973 die Leitung der Meeting-Organisation (die er erst 27 Jahre später an Hansjörg Wirz abtrat). Probleme im Klub und eine leere Meeting-Kasse – das war die Ausgangslage, aus welcher der Visionär mit seinem Sinn für Gelassenheit eine der erfolgreichsten Sportveranstaltungen der Welt schuf. 19 Weltrekorde wurden in der Ära Brügger aufgestellt. Es war ihm jedoch stets ein Anliegen, das Meeting nicht nur sportlich, sondern auch finanziell erfolgreich zu gestalten. 1973 betrug das Budget 148’000 Franken, 1983 bereits 1,15 Millionen und 2000, bei seinem, Rücktritt als Meetingboss, 5,8 Millionen. Bis zu Brüggers Abschied als VfG-Präsident im Jahr 2006 flossen aus dem von den Meetings erwirtschafteten Gewinn rund zwölf Millionen Franken in die Kassen des LC Zürich, der deswegen stets in der Lage war, eine führende Rolle in der Schweizer Leichtathletik zu spielen.
Es brauchte allerdings eine geniale Idee und deren schmerzhafte Umsetzung durch Res Brügger, um den Erfolg auf Dauer sicherzustellen. 1983 gründete er den VfG als Trägerverein des Meetings – gegen starken internen Widerstand. Dank dem Instrument des VfG wurde die Meeting-Organisation schlanker, professioneller und beweglicher, eine Voraussetzung für den Erfolg auf den Gebieten des Sponsorings, der Fernsehrechte und der internationalen Kontakte. Als «Rück-Manager» reiste Brügger in der ganzen Welt herum – und verpflichtete nebenbei in den USA und in anderen Ländern Weltrekordler und Olympiasieger fürs Zürcher Meeting.
Seit ein paar Jahren ist «Weltklasse Zürich» Final-Event der Diamond League. Die Pläne des Weltverbandes IAAF sahen vor, die Rechte der besten Meetings der Welt zu übernehmen, doch sie scheiterten am Widerstand der Zürcher. «Ich bin meinem Nachfolger Patrick Magyar sehr dankbar, dass er die Vorschläge des Sohnes von Präsident Lamine Diack verhinderte», sagt Brügger. Diack und sein Sohn wurden wegen Korruptionsvorwürfen inzwischen abserviert.
Dankbar ist Brügger auch anderen: den jetzigen VfG-Verantwortlichen unter der Leitung von Gerry Weber. 2006 beim Rücktritt Brüggers als VfG-Präsident betrugen die Meeting-Reserven 6,1 Millionen Franken, 2017 sind es immer noch 6,1 Millionen. Brügger gefällt die sorgfältige Finanzplanung seiner Nachfolger. Und dankbar ist er seiner Gattin Doris, die während Jahrzehnten Brüggers Sekretariat leitete und alljährlich als Gastgeberin vieler Weltstars wie Lord Sebastian Coe, Carl Lewis und Haile Gebrselassie auf der Terrasse Brüggers hoch über dem Zürichsee auftrat. Sie wurde verdientermassen als VfG-Ehrenmitglied ausgezeichnet.