Der Ball rollt in den Reihen der Dortmunder Terror-Geschädigten, aber irgendwie nur im Hintergrund. Auszüge aus einem bizarren Champions-League-Pflichttermin.
Was sich 24 Stunden vor der temporären Rückkehr in die (sportliche) Normalität im Dortmunder Süden abgespielt hat, wird die BVB-Familie nie mehr vergessen. Der Sprengstoff-Anschlag auf den Bus des Bundesligisten erschütterte ganz Deutschland. Die 2:3-Heimniederlage gegen die AS Monaco war an einem Tag des landesweiten Schulterschlusses mit dem schwer getroffenen Verein nur noch eine unliebsame Randnotiz.
Dass die eingeschüchterte Equipe trotz einer kollektiven Schockstarre nach der Attacke wieder auf dem Rasen stand, wertete Bundeskanzlerin Angela Merkel als «positives Zeichen, vor dem Terror nicht einzuknicken». Obschon Klubchef Hans-Joachim Watzke in verschiedenen Reaktionen zunächst ausführte, dass man «solche Bilder nicht einfach aus dem Kopf rausbringt», befanden die Beteiligten eine sofortige Fortsetzung der Kampagne für alternativlos. Raum und Zeit für die Verarbeitung des schweren Angriffs auf die persönliche Integrität blieb keine, die Show ging umgehend weiter.
«Der erbarmungslose Sport», kommentierte die «Süddeutsche» die kompromisslose Haltung weiterzumachen, ohne eine vertiefte Reflexion zuzulassen. Der teure und aufgeblähte europäische Zirkus durfte nicht stillstehen; offenbar auch dann nicht, wenn die Protagonisten in der Nacht zuvor hinter zersplitterten Scheiben um ihr Leben fürchten mussten. Zu viel Euro-Millionen stecken im Kreislauf, die TV-Verträge sind sakrosankt, der Ball muss zur Primetime rollen.
Die Flut von Programmhöhepunkten habe eine mehrtägige Verschiebung verunmöglicht, begründeten die Verantwortlichen die zeitnahe Terminierung. Intern wurden die angespannten Akteure zwar angehört, aber letzten Endes dennoch vor vollendete Tatsachen gestellt. «Bis zum Anpfiff war bei mir alles im Kopf, nur kein Fussball.» Nuri Sahin sprach aus, was viele BVB-Betroffene dachten.
Dortmunds Coach Tuchel, der im Gegensatz zu jenen, die eine unmittelbare Neuansetzung der ausgefallenen Partie forcierten, die Detonationen hautnah miterleben musste, goutierte das empathielose Tempo der Funktionäre ebenfalls nicht: «Wir hätten uns gewünscht, dass wir mehr Zeit bekommen hätten.»
Man habe den Entscheid, bereits am Mittwoch nach dem weiterhin ungeklärten Desasters wieder anzutreten, mit einem «ohnmächtigen Gefühl zur Kenntnis nehmen müssen», kritisierte Tuchel. Nach Parolen, wie Watzke sie abgesetzt hatte («Wir spielen heute nicht nur für uns. Wir wollen zeigen, dass Terror und Hass unser Handeln niemals bestimmen dürfen!»), war dem Trainer nicht zumute: «Die Sache ist nicht vergessen oder verarbeitet.»