Der Serbe gewinnt das Finale der Australian Open in vier Sätzen mit einem unwiderstehlichen Zielspurt. Es ist bereits sein fünfter Titel in Melbourne.
Als zwei erbitterte Finalsätze und bereits 152 Minuten in der Rod Laver-Arena vorüber waren, mit jeweils einem gewonnenen Tiebreak für Novak Djokovic und Andy Murray, erlaubte sich jemand im Internet einen schmunzelnden Ausblick auf das Ende dieses Marathon-Duells bei den Australian Open. Zu sehen war auf Twitter das Bild eines vielleicht 15 oder 16 Jahre alten Schülers, versehen mit den Worten: «Stefan Djokovic am Ende dieses Matchs.» Stefan Djokovic, nur zur Erinnerung, ist der drei Monate alte Sohn von Novak Djokovic.
Pic of Stefan Djokovic at the end of the Australian Open Final. pic.twitter.com/oytxr5SBPc
— chiara gambuzza (@ChiaraGamTWI) February 1, 2015
Doch kaum hatte sich das Bild in rasender Geschwindigkeit im virtuellen Kosmos verbreitet, ging alles auch rasend schnell auf der Spielfläche von Melbourne, der Lieblingsbühne von Djokovic. Noch einmal geriet er im dritten Satz mit 0:2 in Rückstand gegen Murray, doch danach gewann er zwölf der letzten dreizehn Spiele in einem spektakulären, unwiderstehlichen Zielspurt – und mit 7:6, 6:7, 6:3 und 6:0 auch seinen fünften Australian-Open-Titel.
Gestrauchelt war er in diesem Zweikampf mehr als genug, gestolpert in einem Albtraum der früh vergebenen Grosschancen, doch zum Fallen hatte ihn schliesslich nichts und niemand gebracht in dieser Nacht der irren Wendemanöver: «Ich musste viele Zweifel wegräumen. Es war ein schwerer Akt, aber jetzt bin ich umso glücklicher über diesen Sieg», sagte Djokovic, der erstmals auch als Vater einen der wertvollen Major-Pokale abräumte.
Murry und Wawrinka im letzten Satz eiskalt abserviert
Mit insgesamt acht Grand-Slam-Titeln ist der Serbe nun in erlesener, exklusiver Gesellschaft – zusammen mit Spielern wie Andre Agassi, Ivan Lendl, Jimmy Connors, Fred Perry und Ken Rosewall.
Dort, wo im vergangenen Jahr seine Partnerschaft mit Cheftrainer Boris Becker einen so unglücklichen Auftakt nahm, mit dem Scheitern im Viertelfinal gegen den späteren Pokalgewinner Stan Wawrinka, war nun wieder Daddy Djokovic der Boss.
Auf den letzten Metern dieser stets herausfordernden Grand-Slam-Prüfung von Melbourne distanzierte der eiserne Fighter erst Wawrinka in fünf Sätzen im Halbfinal und nun Murray in vier Tennis-Akten. Den letzten Satz beider Partien gewann er jeweils frappierend klar mit 6:0.
Zermürbt hatte er seine Gegner dabei auch stets mit der Unerschütterlichkeit, mit der er seine eigenen vorübergehenden Schwächephasen hin nahm und einfach weitermachte.
Der ewige Verwandlungskünstler ist voll zur Stelle
Gegen Murray wirkte Djokovic zuweilen so angeschlagen und verletzlich, als könne ihn der nächste Windstoss auf den Boden fegen. Anfang des zweiten Satzes und auch noch einmal im dritten Durchgang taumelte er wie ein heftig getroffener Boxer im Ring umher, liess sich auch wegen eines Sturzes auf die rechte Hand behandeln.
Doch als es in diesem letzten aller Knockout-Spiele der Offenen Australischen Meisterschaften 2015 wirklich drauf ankam, war er, ewiger Verwandlungskünstler, wieder voll zur Stelle. Hellwach und präsent, zupackend und energisch. Nichts weniger als der Regisseur des Spiel-Films.
«Es sah auch ein wenig nach Täuschungsmanöver aus. Aber das gehört auch zum Profisport dazu», sagte TV-Experte Jim Courier, selbst zweimaliger Australian-Open-Sieger. Murray gab später zu, «ziemlich irritiert» gewesen zu sein über die Scharaden des Serben: «Er wirkte schwach, spielte dann überragend und hat mich am Ende überrollt. Das darf mir niemals passieren.»
Murray ist am Ende konsterniert
Was ihre Grand-Slam-Auftritte in Australien anging, die Duelle der beiden im Mai 1987 geborenen Streiter, bleibt Djokovic der unerbittliche Spielverderber für Murray: Drei Mal hat er ihn nun in Melbourne im Final geschlagen, zudem noch einmal im Halbfinal ausgebremst. Unabänderlich scheint die Rollen-Verteilung von König und Bettelmann in der Rod Laver-Arena, selbst in der neuen Team-Konstellation mit den Trainern Becker (Djokovic) und Mauresmo (Murray).
Am Ende des Dramas, als sich die Dinge wieder gegen ihn neigten, wirkte Murray jedenfalls konsterniert, müde im Kopf, matt auf den Beinen. Zuzusetzen hatte er nichts mehr, er ergab sich wie auch Wawrinka schliesslich in sein Schicksal gegen den standfesten Djokovic. «Ich kann nicht mehr tun, als es im nächsten Jahr wieder zu probieren», sagte Murray hinterher.
Doch auch dann wird Djokovic wieder als Bewerber in der Verlosung sein, der beste Hartplatzspieler der Gegenwart. Und ein Mann, der wie viele Stars vor ihm mit jedem Grand-Slam-Titel hungriger wird auf noch mehr Siegmomente. «Du denkst, diese Spitzenleute sind satt, wenn sie etwas Grosses gewonnen haben», sagt der frühere australische Weltklassemann und Trainer Tony Roche, «dabei steigt der Appetit nur. Sie denken auch dran, was einmal von ihnen in den Geschichtsbüchern stehen bleibt.»
Noch lange nicht am Ende seiner Erfolgsstory
Djokovic, Artist und Fighter in einem, scheint noch längst nicht bei dem letzten Kapitel seiner Erfolgsstory angekommen zu sein. Vor allem, weil ihm der Sieg von Melbourne aufzeigte, dass er auch mit einer grösser gewordenen Familie zu grossen Siegen schreiten kann.
Nächster Grand-Slam-Stopp sind nun die French Open – und damit ein Tennis-Rätsel, das es noch zu lösen gilt für Djokovic. Denn so herausragend wie er, der Djoker, fast immer in Melbourne sein Handwerk ausübt, so unerschrocken steht in Paris Rafael Nadal als regelmässiger Sieger im roten Sand.
Das ist eine der grossen Fragen der Saison 2015: Bleibt dort, im Stadion Roland Garros, alles wie immer? Oder gibt es einen neuen Champion, vielleicht namens Djokovic?
We did visualisation this morning ???? #nolefam #AusOpenFinal @DjokerNole @TheBorisBecker ideeeemoooooo pic.twitter.com/a4V3mhwB11
— Jelena Djokovic (@JelenaRisticNDF) 1. Februar 2015