Das Schweizer Nationalteam macht in den sieben Vorrundenspielen der WM in Paris einen Reifeprozess durch. Im Viertelfinal wartet mit Schweden eine echte Herausforderung auf Patrick Fischers Auswahl.
Mit acht WM-Neulingen und sechs Spielern, die erst ihr zweites grosses Turnier bestreiten, ist die Schweiz vor zwei Wochen nach Paris gereist. Die unerfahrene Mannschaft spielte sich aber nach Startschwierigkeiten souverän in die Viertelfinals. Aufhorchen liess das Team von Trainer Patrick Fischer gegen Ende der Gruppenphase, als es gegen Kanada (3:2 nach Verlängerung), Finnland (2:3 nach Verlängerung) und Tschechien (3:1) sechs Punkte gewann.
Das Team, das mit wenig Kredit in das Turnier gestartet war, machte in den vergangenen beiden Wochen in vielerlei Hinsicht Fortschritte. Das lässt für den Viertelfinal gegen die starke schwedische Auswahl hoffen. «Wenn man Erfolg haben will, muss man jeden Tag besser werden, gerade an einem Turnier», so Stürmer Vincent Praplan, der mit vier Toren und drei Assists der Topskorer im Schweizer Team ist. «Wir sind nach dieser Vorrunde auf einem guten Weg.»
Im Vergleich zur WM 2016 in Moskau sind die Schweizer kaum mehr wiederzuerkennen. Im Vorjahr bekundeten sie vor allem defensiv Mühe, liefen sie mit ihrem offensiven Eishockey ins gegnerische Messer und liessen sie jegliche Stabilität vermissen. Mit Leonardo Genoni wissen die Schweizer nun den statistisch bisher besten Torhüter, der an diesem Turnier regelmässig zum Einsatz gekommen ist, in ihren Reihen.
Defensiv traten sie nicht zuletzt gegen die «Grossen» äusserst kompakt auf. Im Spiel gegen vorne überzeugten sie mit Tempo und vor den gegnerischen Goalies mit einer Effizienz, die für eine Schweizer Mannschaft eher atypisch ist.
Offene Rechnungen
Wer gegen Kanada und Tschechien – beide gespickt mit zahlreichen Stars aus der NHL – gewinnt, ist auch in der Lage, Schweden zu bezwingen. Zudem haben die Schweizer noch mindestens zwei offene Rechnungen mit den Schweden. «Vor einem Jahr in Moskau hätten wir siegen müssen», erinnert sich Fischer an die 2:3-Niederlage nach Penaltyschiessen, die beste Leistung der WM 2016.
«Und dann ist da noch der Final von 2013, auch den hätten wir gerne gewonnen», so Fischer, der in Stockholm Trainerassistent unter Sean Simpson war. «Ich vergesse nicht mehr, wie die Schweden nach dem Spiel mit diesen Goldhelmen umhergefahren sind.» Vor vier Jahren hatten die Schweizer in neun Spielen gegen jeden Gegner einen Weg zum Erfolg gefunden – bis sie von Schweden im Final mit 1:5 dominiert wurden.
Die aktuelle Schweizer Mannschaft weisst einige Züge auf, die an das damalige Team erinnern. Vergleichbar ist insbesondere das Selbstbewusstsein und die Überzeugung, mit der die Schweizer auftreten. Oder wie es Fischer sagt: «Wir haben Moral und Vertrauen. Wir wissen, was wir können. Wir haben viel Respekt, aber wie jeder Gegner ist auch Schweden verwundbar.»
Schweden mit Topteam
Allerdings könnte dasselbe Szenario eintreffen wie im Final von 2013. Denn die Schweden treten an dieser WM mit der besten Auswahl seit dem Gewinn ihres letzten Titels an. 19 der 25 Spieler verdienen ihr Geld in der NHL. Für die entscheidende Phase verstärkten sich die Skandinavier mit Torhüter Henrik Lundqvist und Spielmacher Nicklas Bäckström – zwei Spieler vom Kaliber der (in Paris abwesenden) Brüder Henrik und Daniel Sedin, die Schweden 2013 zu Gold geführt haben.
Auch die Statistik spricht gegen die Schweiz. Von ihren zwölf Viertelfinals, welche sie seit 1992 an grossen Turnieren bestritten hat, gewann das Nationalteam nur deren zwei: 1992 mit 3:1 gegen Deutschland und 2013 mit 2:1 gegen Tschechien. Gegen Schweden verlor die Schweiz nebst dem WM-Final auch die vier anderen K.o.-Spiele.
Ein Sieg gegen die Schweden wäre also ein veritabler Exploit. Ein gutes Omen gibt es allerdings: Der Viertelfinal findet exakt vier Jahre nach dem besten Spiel der Schweizer Eishockey-Geschichte statt, dem 3:0-Triumph im WM-Halbfinal gegen die USA.