Das 1:1 gegen Rumänien bringt in den Schweizer Reihen zwei Erkenntnisse. Die EM-Tendenz stimmt, die Defizite in der Offensive hingegen sind nach wie vor nicht behoben – im Gegenteil.
Bei der ersten Wertung der zweiten EM-Partie zögerte Vladimir Petkovic keinen Augenblick: «Ich bin zufrieden.» Ihm gefiel der ausgezeichnete Auftakt seiner Equipe, die Startviertelstunde mit den erstklassigen Chancen von Haris Seferovic, die Phase der deutlichsten Dominanz.
Das 1:1 gegen einen Kontrahenten, der bei der Turnier-Ouvertüre bereits Frankreich bis zur 89. Minute vor kaum lösbare Probleme gestellt hatte, in seiner EM-Geschichte aber lediglich einen Sieg vorzuweisen hat, war Petkovic ein «grosses Kompliment» wert. Etwas schwerer tat sich der SFV-Taktgeber mit der generellen Einschätzung: «Es ist zu früh, bereits Rechnungen anzustellen.»
Unter normalen Umständen genügen vier Punkte, um in die Achtelfinals vorzustossen. Petkovic strebt weiterhin mehr als das Minimalziel an. Ihm schwebt vor, am kommenden Sonntag die französische Prominenz zu schlagen. Im Auge hat er die Pole-Position und das mögliche Prestige bei einem Effort gegen einen der Titelkandidaten.
Seit dem 2:1 in einem Test 1992 und der Lausanner Sternstunde von Christophe Bonvin bemühten sich die Schweizer indes vergeblich um einen nächsten Coup gegen «Les Bleus». Für Petkovic kein Problem, sondern primär «ein Anreiz».
Keine Lichtsteiner-Diskussion
Vor dem Ausblick stand aber die Rückschau auf die vielleicht besten und aufwühlendsten 90 Minuten in der zweijährigen Petkovic-Ära. «Wie wir ins Spiel gefunden haben, war gut, wie wir gespielt haben ebenfalls», bilanzierte Petkovic. Er goutierte, wie sie auf das 0:1 reagierten. Das Ergebnis sei gemessen am Auftritt zwar ungenügend, aber haften bleibe «die mentale Stärke», die Passion, Widerstände überwunden zu haben. Sie hätten auch nach dem 0:1 den Kopf nicht verloren: «Es ist eine Stärke dieser Mannschaft, immer eine Antwort zu finden.»
Einer hingegen warf primär Fragen auf: Haris Seferovic, inzwischen bei fünf erstklassigen Chancen angelangt, aber noch immer ohne zählbaren Output. Hätte er nur einmal getroffen, stünde die Schweiz womöglich mit einer makellosen Bilanz da.
«Wenn wir unsere Chancen nicht verwerten, wird es auf diesem Level schwierig.» Petkovic verzichtete selbstredend darauf, seinen glücklosen Stürmer namentlich zu erwähnen. Wen er meinte, war gleichwohl klar. Unter anderem wegen seiner Ineffizienz ist das Glas für den Selektionär nach 180 EM-Minuten erst «halb voll».
Keinen allzu grossen Platz räumte Petkovic in seiner Aufarbeitung dem Foulpenalty ein, den sein Captain Stephan Lichtsteiner im Übereifer verursacht hatte. Auf die Klärung der Schuldfrage verzichtete er. Es mache keinen Sinn, einen Elfmeterpfiff im Detail zu besprechen: «Wenn der Schiedsrichter gepfiffen hat, ist die Diskussion fertig.»
Xhakas Ansage
Das wunderbare Tor des Tages erzielte Admir Mehmedi, die Wahl zum «Man of the Match» durch die UEFA gewann zum zweiten Mal Granit Xhaka. Ihn interessierte die Auszeichnung nicht, sondern nur eines: «Endlich ging mal einer rein.»
Xhaka konnte angesichts ihrer Dominanz kaum fassen, am Ende nur ein Remis erreicht zu haben: «Wir zeigten eines der besten Spiele seit Langem, aber eben: Wir machen zu wenig daraus, wir schiessen die Tore nicht.» Zweifel beschleichen den 23-Jährigen allerdings keine, eine deutliche Ansage ist ihm jederzeit zu entlocken: «Wir spielen auch gegen Frankreich auf Sieg.»
Iordanescus Sicht
Derweil die Schweizer Beteiligten 61 Prozent Ballbesitz, 7:4 Corner und das unübersehbare Chancenplus primär zu ihren Gunsten auslegten, beanspruchte der rumänische Coach Anghel Iordanescu einen Teil der Vorteile für sich: «Wir hätten höher führen können. Erst nach der Pause wurden wir von einem starken Team dominiert und hatten stark zu leiden.»