Die Türkei nennt Gaucks Völkermord-Aussage unverzeihlich

Die Äusserungen des deutschen Bundespräsidenten Joachim Gauck zum «Völkermord» an den Armeniern haben eine diplomatische Krise mit der Türkei ausgelöst. Das türkische Aussenministerium reagierte mit scharfen Worten auf Gaucks Worte.

Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck bei seiner Rede (Bild: sda)

Die Äusserungen des deutschen Bundespräsidenten Joachim Gauck zum «Völkermord» an den Armeniern haben eine diplomatische Krise mit der Türkei ausgelöst. Das türkische Aussenministerium reagierte mit scharfen Worten auf Gaucks Worte.

«Das türkische Volk wird dem deutschen Präsidenten Gauck seine Aussagen nicht vergessen und nicht vergeben», erklärte das Aussenministerium am späten Freitagabend in Ankara. «Er hat kein Recht, die türkische Nation eines Verbrechens zu beschuldigen, dass sie nicht begangen hat».

Gaucks Erklärung missachte zudem die türkische Gemeinde in Deutschland, hiess es aus Ankara weiter. «Die Mitglieder dieser Gemeinde werden angesichts der Versuche, ihre Identität in Misskredit zu bringen, nicht schweigen», teilte das Ministerium mit.

Gauck hatte die Massaker im Osmanischen Reich an bis zu 1,5 Millionen Armeniern im Ersten Weltkrieg am Donnerstagabend erstmals klar als Völkermord bezeichnet.

Klare Worte trotz Bedenken

Das deutsche Staatsoberhaupt hatte sich damit über Bedenken hinweggesetzt, diese Einordnung des damaligen Geschehens könnte die Beziehungen zum NATO-Partner Türkei beschädigen. Die Türkei als Nachfolgestaat des Osmanischen Reichs lehnt die Bezeichnung Völkermord ab.

Die Regierung in Ankara reagierte entsprechend scharf auf Gaucks Worte. Sie warnte vor «langfristigen negativen Auswirkungen» auf das deutsch-türkische Verhältnis.

Nicht das erste Mal

Es ist nicht das erste Mal, dass Gauck in Ankara in Ungnade fällt: Ende April 2014 hatte er bei einem Staatsbesuch in der Türkei der Regierung von Erdogan, der damals noch Ministerpräsident war, Demokratiedefizite vorgehalten. Erdogan wies dies damals als «Einmischung in innere Angelegenheiten» zurück.

Laut türkischen Medien sagte er, die Deutschen sollten lieber die NSU-Terrorserie und Anschläge auf Türken aufklären, als seiner Regierung Ratschläge zu geben. Gauck erwiderte damals noch in der Türkei, er sei in seiner Kritik «eher noch zurückhaltend gewesen».

Auch Bundestag spricht von «Völkermord»

Der Bundestag schloss sich am Freitag Gaucks Bewertung der Gräueltaten an den Armeniern an. «Das, was mitten im Ersten Weltkrieg im Osmanischen Reich stattgefunden hat, unter den Augen der Weltöffentlichkeit, war ein Völkermord», sagte Bundestagspräsident Norbert Lammert.

Redner aller Fraktionen teilten diese Einschätzung. Kanzlerin Angela Merkel und Aussenminister Frank-Walter Steinmeier meldeten sich nicht selbst zu Wort. Noch vor der Sommerpause will der Bundestag eine Erklärung zu den Gräueltaten verabschieden.

Die Massaker im Osmanischen Reich hatten am 24. April 1915 mit der Verhaftung Hunderter Intellektueller in Konstantinopel (Istanbul) begonnen. Im Kampf gegen das christliche Russland warf die osmanische Regierung den Armeniern vor, mit dem Feind zu paktieren.

Nach Schätzungen kamen zwischen 200’000 und 1,5 Millionen Menschen ums Leben. Die Armenier bezeichnen sich selbst als das weltweit älteste christliche Volk.

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