Mit dem Leidenslied «1944» über die Vertreibung ihrer Minderheit unter Sowjetdiktator Josef Stalin hat die Krimtatarin Jamala für die Ukraine den Eurovision Song Contest 2016 gewonnen. Damit siegte die Ukraine nach 2004 zum zweiten Mal beim ESC.
Platz zwei erreichte in der Nacht auf Sonntag Australien, Rang drei ging an Russland. Deutschland holte in Stockholm lediglich elf Punkte und kam wie schon im vergangenen Jahr auf den letzten Platz.
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko gratulierte der Siegerin umgehend: «Ja! Unglaubliche Leistung und Sieg. Alle Ukrainer bedanken sich herzlich bei Dir, Jamala!», schrieb er auf Twitter.
Die Zuschauer konnten wie immer über den Sieger mit abstimmen, jedoch nicht für die eigene Nation. Ihr Voting wurde ergänzt von Juroren. Das Voting-Fenster war zwischen 23.02 Uhr und 23.44 Uhr geöffnet.
In dieser Zeit trat der US-Superstar Justin Timberlake ausser Konkurrenz auf, wünschte den Teilnehmern viel Glück, und sang unter anderem seinen neuen Hit «Can’t Stop The Feeling», den zwei Schweden mitschrieben. In diesem Jahr zeigte auch ein US-Sender erstmals live das ESC-Finale.
Neues System
Neu war auch die Punkteverkündung von Jurys und Publikum erstmals getrennt, zuerst wurden per Schaltung in alle Länder die Jurystimmen abgefragt. Dann verlasen die Moderatoren die Zuschauervoten, was es diesmal spannend bis zum Schluss machte. Lange Zeit sah es nach einem Sieg von Australien aus.
Der Wettbewerb sei einst geschaffen worden, um einen nach dem Krieg zerrissenen Kontinent zu einen, sagte Moderator und Vorjahressieger Måns Zelmerlöw zum Auftakt der Finalshow. Moderatorin Petra Mede – die bereits 2013 in Malmö moderierte – ergänzte, wenigstens einmal im Jahr schaffe Europa eine völkerverbindende Show über die Musik.
Die Komikerin Mede und Zelmerlöw führten humorvoll und selbstironisch durch die Show, gaben während der Zuschauerabstimmung unter anderem einen Klischee-Grand-Prix-Lied zum Besten («Love Love Peace Peace»), das auf allerhand frühere Teilnehmer und Sieger wie etwa die finnischen Hard-Rock-Monster Lordi von 2006 anspielte oder die russische Oma-Truppe Buranowskije Babuschki (Grossmütter aus Buranowo) von 2012.
Schweiz abgeschlagen
26 Lieder konkurrierten beim grossen Finale in Stockholm. Zum zweiten Mal war auch Australien als Ehrengast dabei, weil es dort viele Fans gibt, die die Show gucken. Musikalisch wurde ein breites Spektrum geboten.
Mit dem Sieg ist kein Geld, sondern nur eine Trophäe verbunden – ausserdem die ESC-Austragung im Folgejahr. Insgesamt nahmen am ESC in diesem Jahr 42 Länder teil. 16 davon schieden in den Halbfinals am Dienstag und Donnerstag aus, darunter auch die Schweiz.
Die für die Schweiz angetretene Sängerin Rykka landete mit 28 Punkten, davon drei aus der Telefonabstimmung, von sämtlichen Teilnehmern der beiden Halbfinals auf dem zweitletzten Platz. Nur Estland holte noch vier Punkte weniger, wie aus der Auflistung der ESC-Organisatoren hervorgeht.
Die Show 2016 war im Vergleich zu jener im Vorjahr wieder etwas grösser, vor etwa 16’000 Zuschauern – statt etwa 10’000 in Wien. Das Budget des schwedischen Rundfunks für den ESC lag bei 125 Millionen Schwedischen Kronen (rund 14,8 Millionen Franken), so viel wie 2013 in Malmö. Die Stadt Stockholm plante zudem umgerechnet weitere etwa 12 Millionen Franken ein.
Geschätzte 180 Millionen TV-Zuschauer
Geschätzt etwa 180 Millionen Zuschauer weltweit verfolgten die Finalshow vor dem Bildschirm. Das Finale des 62. Eurovision Song Contest soll nach vorläufigen Angaben der Veranstalter von der European Broadcasting Union (EBU) am 20. Mai 2017 über die Bühne gehen. Anders als dieses Jahr und im vergangenen Jahr wäre dies nicht am langen Pfingstwochenende.
Wenn sich das Siegerland für seine Hauptstadt entscheidet, wäre der Austragungsort im kommenden Jahr Kiew. Den Liederwettbewerb gibt es seit 1956.