Der Schweizer Umweltbotschafter Franz Perrez über die Ziele der UNO-Klimakonferenz in Warschau und nicht erfüllte Klima-Aufgaben der Schweiz.
Der Schweizer Umweltbotschafter Franz Perrez (46) gilt als gewiefter und international anerkannter Verhandler. Er steht ab Montag wieder im Rampenlicht, wenn in Warschau die UNO-Klimakonferenz beginnt. Perrez ist zuversichtlich, dass die USA bei einem globalen Klimaabkommen, das bis 2015 abgeschlossen werden soll, mitmachen. Im Interview äussert er sich auch zur Rolle der Schweiz bei den Verhandlungen.
Sie leiten die Schweizer Delegation an der UNO-Klimakonferenz in Warschau. Wie stehen die Chancen, dass es endlich vorwärts geht mit dem Klimaschutz?
Franz Perrez: Es gibt sicher Fortschritte, die Frage ist nur, ob die gross genug sind. Warschau ist nur eine Zwischenkonferenz, trotzdem stehen wichtige Entscheide an.
Wird ein Fahrplan verabschiedet auf dem Weg zu einem umfassenden Klimavertrag, der 2015 unterzeichnet werden soll und für alle Staaten verbindlich ist?
Den Fahrplan haben wir eigentlich schon. In Warschau geht es aber zum Beispiel darum, einen Fahrplan für die Formulierung von nationalen Zielen für die Emissionsreduktion nach 2020 festzulegen. Bis in einem Jahr an der Klimakonferenz in Lima braucht es dann erste Textelemente des neuen Abkommens. Die letzten Verhandlungen werden 2015 in Paris stattfinden.
Die diesjährige Konferenz findet in Polen statt, das über grosse Kohlevorkommen verfügt und sich innerhalb der EU beim Klimaschutz als Bremser erwiesen hat. Macht dies Fortschritte nicht noch schwieriger?
Die Präsidentschaft der Klimakonferenzen rotiert zwischen den UNO-Regionen, und dieses Jahr ist Zentral- und Osteuropa an der Reihe. Da es ja nicht eine Konferenz ist, an der ein Schlussergebnis ausgehandelt wird, hat die polnische Präsidentschaft keine negativen Auswirkungen. Zudem hat Polen durchaus versucht, eigene Akzente zu setzen, um die Verhandlungen voran zu bringen.
«Die USA wollen rechtlich nicht anders behandelt werden als China.»
Abseits beim Klimaschutz stehen bisher die USA. Sie machen bei der Verlängerung des Kyoto-Protokolls, die letztes Jahr beschlossen wurde, nicht mit. Sind Sie enttäuscht vom demokratischen Präsidenten Barack Obama?
Die USA haben zwar das Kyoto-Protokoll von 1997 nicht ratifiziert und dementsprechend auch bei der zweiten Auflage im letzten Jahr nicht mitgemacht. Sie haben sich aber bei den Klimaverhandlungen in den letzten Jahren sehr aktiv beteiligt. Die USA stellten sich immer auf den Standpunkt, dass sie rechtlich nicht anders behandelt werden wollen als China. Sie akzeptieren Verpflichtungen zur Reduktion der Treibhausgase also nur, wenn auch China mitmacht. Präsident Barack Obama schaltete sich sehr aktiv in die Verhandlungen 2009 in Kopenhagen ein. Der Konferenz war zwar kein Erfolg beschieden, später in Cancun verpflichteten sich die Staaten aber, dass die Erwärmung zwei Grad nicht übersteigen solle, und sie einigten sich auf freiwillige Reduktionsziele. Dies war nicht zuletzt eine Folge des Engagements des US-Präsidenten. 2015 an der Klimakonferenz in Paris wird Obama in der Schlussphase seiner Präsidentschaft stehen, und ich habe den Eindruck, dass die USA bereit sind für einen Meilenstein, ein international bindendes Abkommen. Sie werden sich voraussichtlich auf Massnahmen zur Reduktion ihrer Emissionen verpflichten lassen, vermutlich aber nicht auf ein Ziel mit fixer Obergrenze der Emissionen, wie dies im Kyoto-Protokoll geregelt wird.
Bremser beim Klimaschutz sind auch Indien und China, wie können diese Länder ins Boot geholt werden?
Die Chancen, China an Bord zu holen, sind intakt. Die USA führen intensive bilaterale Gespräche mit China. Auf Ministerstufe ist China offener als in den Verhandlungen. Bei Indien ist es schwieriger zu beurteilen, vielleicht wird Druck von innen etwas bewirken, zumal Indien vom Klimawandel besonders betroffen ist.
«Technologisch sind die Möglichkeiten vorhanden, die Politik ist aber noch zu wenig ambitioniert.»
Ist das Ziel, eine Erwärmung von mehr als 2 Grad zu vermeiden, überhaupt noch zu erreichen?
Der kürzlich veröffentlichte Bericht des Weltklimarats IPCC hat festgehalten, dass die Ziele der Industrie- und Entwicklungsländer zur Reduktion der Emissionen ungenügend sind. Technologisch sind die Möglichkeiten vorhanden, die Politik ist aber noch zu wenig ambitioniert.
Welche Möglichkeiten hat die Schweiz als kleines Land, den international bindenden Klimavertrag voranzubringen?
Die Schweiz hat als aktiver und ambitionierter Verhandlungspartner erstaunlich grossen Einfluss auf die Klimaverhandlungen. Sie geniesst eine hohe Glaubwürdigkeit im Klimaprozess und allgemein in der internationalen Umweltpolitik. Unsere Pro-Kopf-Emissionen sind relativ tief, und die Schweiz verfolgt keine versteckten Wirtschaftsinteressen. Zudem haben wir einfachere internen Abläufe als beispielsweise die EU. Unter unserer Führung bildeten wir mit Südkorea, Mexiko, Liechtenstein und Monaco eine eigene Verhandlungsgruppe. Es sind also Industrie- und Entwicklungsländer vertreten. Das gibt uns Zugang zu entsprechenden Foren und damit Gewicht. Vorschläge von uns werden nicht gleich als Vorschläge von Industrieländern abgetan, weil Mexiko und Südkorea mit von der Partie sind.
Arbeitet die Schweiz bei den Verhandlungen speziell mit der EU zusammen?
Ja, wir pflegen einen intensiven Austausch, weil die EU ähnliche Klimaziele hat wie die Schweiz. Wir arbeiten aber auch mit andern Industrieländern und mit progressiven Entwicklungsländern zusammen.
Letztes Jahr waren an der Konferenz in Doha 11’000 Teilnehmer anwesend. Kann man so noch effiziente Verhandlungen führen?
Es waren ja nicht alle Anwesenden an den Verhandlungen beteiligt, viele haben an Parallelveranstaltungen teilgenommen. Die Grösse der Konferenz ist aber tatsächlich ein Problem. Dies hat auch damit zu tun, dass es bis zu 50 parallele Verhandlungsstränge gibt, darunter viele zu technischen Fragen.
«Ohne Nicht-Regierungsorganisationen wäre der öffentliche Druck für Resultate kleiner.»
Welche Rolle spielen aus Ihrer Sicht eigentlich die vielen NGO-Vertreter an der Konferenz?
Ohne Nicht-Regierungsorganisationen würden die Verhandlungen weniger beachtet und der öffentliche Druck für Resultate wäre kleiner. Den grössten Einfluss haben die NGO aber nicht bei den Verhandlungen vor Ort, sondern wenn sie bei der Ausarbeitung der nationalen Positionen mitarbeiten.
Die Schweiz setzt sich zwar bei internationalen Verhandlungen sehr aktiv für mehr Klimaschutz ein. Im Inland könnte sie aber mehr mehr tun. So gibt es bislang keine CO2-Abgabe auf Brennstoffe.
Ich denke, im Vergleich zu den andern Staaten unternimmt die Schweiz sehr viel. Sicher ist aber, dass die Schweiz noch mehr machen könnte und mehr machen muss. Die Politik muss entscheiden, wo dies getan wird. Beim Treibstoff gibt es sicher noch Potenzial.
Eine grosse Tücke des Klimawandels ist ja, dass er im Alltag kaum festzustellen ist. Haben Sie die Auswirkungen auch schon an einem konkreten Beispiel bemerkt?
Auf einer Wanderung im letzten Jahr habe ich festgestellt, dass der Gletscher beim Faulhorn bei Grindelwald praktisch ganz abgeschmolzen ist. Dies hat mich betroffen gemacht.
Skeptiker könnten jetzt einwenden, die Gletscher seien auch schon früher geschmolzen – und dann wieder gewachsen.
Es gibt auch Leute, die bezweifeln, dass Rauchen Krebs verursacht. Ich denke, mit dem Weltklimarat IPCC haben wir eine der weltweit besten Expertisen. Für die überwiegende Mehrheit der Wissenschaftler gibt es keine Zweifel, dass der Klimawandel durch den Menschen gemacht ist.
Sie haben die Delegation bei den Klimaverhandlungen schon ein paarmal geleitet. Gibt es da auch ein Wiedersehen mit vielen Bekannten, und helfen diese Kontakte für die Verhandlungen?
Das ist tatsächlich so. Wir treffen uns jeweils auch zwischen den Klimkonferenzen bei Verhandlungen. Dies ist oft hilfreich, weil man Vertrauen aufbauen kann. Es gibt auch einzelne Fälle, in denen man sich nicht unbedingt freut, jemanden wieder zu sehen, das gehört dazu.