Die Zahl der Sozialhilfebezüger in Schweizer Städten bleibt stabil

2012 haben in der Schweiz 2,5 Prozent mehr Personen Sozialhilfe bezogen als im Vorjahr. Weil gleichzeitig auch die Bevölkerungszahl gestiegen ist, bleibt die Sozialhilfequote aber unverändert.

Obdachloser in Genf (Symbolbild) (Bild: sda)

2012 haben in der Schweiz 2,5 Prozent mehr Personen Sozialhilfe bezogen als im Vorjahr. Weil gleichzeitig auch die Bevölkerungszahl gestiegen ist, bleibt die Sozialhilfequote aber unverändert.

Das zeigt der Bericht der Städteinitiative Sozialpolitik, in 13 Schweizer Städte erfasst werden. Im Schnitt liegt die Sozialhilfequote bei 5,5 Prozent, diese variiert je nach Stadt stark. In Biel und Lausanne beziehen über 10 Prozent der Bevölkerung Sozialhilfe. In Uster ZH und in Zug sind es unter 2 Prozent.

«In Lausanne ist der Anteil der Arbeitslosen, Alleinerziehenden und Ausländer hoch. Diese Gruppen sind besonders oft auf Sozialhilfe angewiesen», sagte Oscar Toscato, Stadtrat von Lausanne und Vize-Präsident der Städteinitiative Sozialpolitik, am Dienstag vor den Medien in Bern.

Bemerkenswert tief ist die Quote für die Grossstadt Zürich (4,7 Prozent). Laut Bericht ist dafür vor allem die rege Bautätigkeit verantwortlich, weshalb viele gut ausgebildete und wenig armutsgefährdete Personen zugezogen seien.

Keine EU-Einwanderung in die Sozialhilfe

Verschiedentlich wurde vor der Einwanderung von EU-Bürgern in die Sozialwerke gewarnt, die dank der Personenfreizügigkeit vereinfacht in die Schweiz einwandern und alsbald dem Staat auf der Tasche liegen würden. Der Zürcher Stadtrat Martin Waser, Präsident der Städteinitiative Sozialpolitik , stellt klar: «Eine Einwanderung von EU-Bürgern in die Sozialhilfe gibt es nicht.»

Tatsächlich beziehen nur 3,7 Prozent der Personen aus der EU Sozialhilfe, deutlich weniger als der gesamtschweizerische Schnitt. Auch die Quote der Schweizer liegt mit 4 Prozent höher. «Zuwanderer aus der EU sind häufig hochqualifiziert und in einer sicheren Anstellung», sagte Waser. Man behalte die Situation aber im Auge.

«Kränker für die IV, fitter für den Arbeitsmarkt»

In den letzten Wochen wurde in Medienberichten der Vorwurf laut, dass es zu einer Verschiebung von der Invalidenversicherung (IV) in die Sozialhilfe komme. Da die IV nach der letzten Revision ihre Rentenpraxis verschärft hat, würden diese Fälle vermehrt in der Sozialhilfe landen, statt wie vorgesehen wieder auf dem Arbeitsmarkt.

Waser verneint. «Wir haben wenig Indizien dafür, dass im grossen Stil Klienten zu uns verschoben werden», sagte er. Einzelfälle seien natürlich nicht ausgeschlossen. Was aber richtig sei: «Man muss heute kränker sein, um in die IV zu kommen. Und fitter, um in den Arbeitsmarkt zurückzufinden.»

Das führe dazu, dass es immer mehr Personen gebe, deren Existenz nur die Sozialhilfe sichern könne. Insbesondere die Entwicklung bei den über 50-Jährigen bereite ihm Sorge. Die Sozialhilfequote in dieser Altersgruppe hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen und liegt heute mit 4,3 Prozent nur noch leicht unter dem Schnitt. «Wir befürchten, dass die Entwicklung in die gleiche Richtung weitergeht und die Quote dieser Altersguppe weiter ansteigt», sagte Waser.

Mehr über 50-jährige mit Sozialhilfe

Denn die Zahl der Langzeitbezüger ist in dieser Altersgruppe besonders hoch. Mehr als die Hälfte der über 50-Jährigen Bezüger ist schon seit mehr als drei Jahren auf Sozialhilfe angewiesen. Nur rund 20 Prozent bleiben weniger als ein Jahr in der Sozialhilfe. Bei den 18- bis 35-Jährigen verlassen zum Vergleich 40 Prozent der Bezüger die Sozialhilfe nach weniger als einem Jahr.

«Ältere Sozialhilfebezüger haben nach oft längerer Erwerbslosigkeit schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Dazu sind sie anfälliger für Krankheiten, was den Wiedereinstieg erschwert, obwohl sie viel Erfahrung mitbringen», sagte Waser. Aufgrund der Entwicklung fürchten sich die Städte vor immer mehr älteren Langzeitbezügern.

«Die Sozialhilfe ist als temporäre Überbrückung in Notsituationen angelegt. Es stellt sich die Frage, ob sie die richtige Institution für diese Personengruppe ist, oder ob ein anderes sozialpolitisches Instrument deren soziale Sicherung übernehmen müsste», sagte Waser. Denn das Problem werde sich noch akzentuieren, mit Kostenfolgen für die Haushalte der Städte.

Es gehe ihm nicht darum, für diese Gruppe eine neue Institution zu schaffen, präzisierte Waser auf Nachfrage. Hingegen könnte «die Finanzierung vom Bund ergänzt werden.» Man wolle jetzt die Diskussion anstossen und «einen politischen Entscheid provozieren, damit wir wissen, wie wir in der Sozialhilfe mit solchen Langzeitfällen umgehen sollen.»

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