Dieser Abstimmungskampf wird die Schweiz schon sehr bald prägen

Schweizer Recht statt fremde Richter: Das fordert die SVP mit ihrer Selbstbestimmungsinitiative. Am Freitag hat sie die Unterschriften eingereicht und für ihr Anliegen geworben. Die Gegner haben sich bereits formiert. Sie sehen die Menschenrechte in Gefahr.

SVP-Chefstratege Christoph Blocher im Frühjahr 2015, als die SVP mit der Unterschriftensammlung zur Selbstbestimmungsinitiative begann. (Bild: sda)

Schweizer Recht statt fremde Richter: Das fordert die SVP mit ihrer Selbstbestimmungsinitiative. Am Freitag hat sie die Unterschriften eingereicht und für ihr Anliegen geworben. Die Gegner haben sich bereits formiert. Sie sehen die Menschenrechte in Gefahr.

Die Abstimmung ist noch in weiter Ferne, doch schon jetzt zeichnet sich ein heftiger und emotionaler Abstimmungskampf ab, vergleichbar mit jenem zur Durchsetzungsinitiative im Frühjahr.

Mit der Selbstbestimmungsinitiative wolle sie die direkte Demokratie stärken und die Entmachtung der Stimmbürger stoppen, schreibt die SVP. Oberster Gesetzgeber sei das Volk. Doch «in aller Stille» entmachteten Parlament, Regierung, Verwaltung und Justiz «in unheimlichem Zusammenspiel» den Verfassungsgeber. Die rechtliche Selbstbestimmung der Schweiz werde unterlaufen.

Blocher: «Ein Staatsstreich»

Als Beispiele nennen die Initianten die Initiativen zu Verwahrung, Ausschaffung und Zuwanderung. Volk und Stände hätten diesen zugestimmt. Politiker und Gerichte verweigerten aber die wortgetreue Umsetzung unter Berufung auf internationales Recht.

Die Absicht sei eindeutig: Die direkte Demokratie solle eingeschränkt, ja ausgeschaltet werden. «Das ist ein Staatsstreich gegen die in der Verfassung geltende Rangordnung im Staat», sagte SVP-Chefstratege Christoph Blocher gemäss Redetext. Hier gebe die Selbstbestimmungsinitiative Gegensteuer.

Verfassung über Völkerrecht

Konkret will die SVP in der Bundesverfassung verankern, dass diese über dem Völkerrecht steht, unter Vorbehalt der zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts. Im Fall eines Widerspruchs zwischen völkerrechtlichen Verpflichtungen und der Bundesverfassung soll sich der Bund für eine Anpassung der völkerrechtlichen Verpflichtungen einsetzen.

Ist das nicht möglich, sollen die völkerrechtlichen Verträge gekündigt werden. Für das Bundesgericht sollen Bundesgesetze massgebend sein – und völkerrechtliche Verträge, die dem Referendum unterstanden haben.

«Inakzeptable Einmischung»

Mit der Initiative reagiere die SVP unmissverständlich auf «die inakzeptable Einmischung des Parlaments, der Regierung, der Verwaltung, der Justiz und der Rechtslehre in die verfassungsmässige Rechtssetzung», sagte SVP-Präsident Albert Rösti. Die Rechtssetzung sei «alleine Sache des Volkes und der Stände».

Jüngstes Beispiel der unangemessenen Einmischung der Richter sei der Beschluss des Bundesgerichts, das Personenfreizügigkeitsabkommen über die Schweizer Verfassung zu stellen. Rösti sprach von einer «Ungeheuerlichkeit». Das Urteil bedeute, dass – egal wie das Parlament die Masseneinwanderungsinitiative umsetze – die Umsetzung im Falle einer Anfechtung ausser Kraft gesetzt würde.

Menschenrechte in Gefahr

Das jüngste Volksbegehren der SVP stösst auf ähnlichen Widerstand wie die Durchsetzungsinitiative. Menschenrechts- und weitere Organisationen luden am Freitag zur Gegenveranstaltung, um der SVP «die rote Karte» zu zeigen. Sie sprechen von einer «Anti-Menschenrechtsinitiative».

Das Volksbegehren ziele auf die Kündigung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ab. Damit wollten die Initianten die Hürden für die Umsetzung von Volksbegehren senken, die gegen Grundrechte verstiessen. Und sie seien bereit, dafür allen Menschen in der Schweiz die EMRK als wichtigsten Schutz ihrer Grundrechte zu nehmen.

Amnesty International Schweiz spricht von einem «Frontalangriff auf die Menschenrechte». Die SVP wolle die rote Linie überschreiten. Die Operation Libero warnt, ein Ja würde die Schweiz zur notorischen Vertragsbrecherin machen. Auch das Komitee «Dringender Aufruf» um Peter Studer tritt wieder auf den Plan: Diese Initiative dürfe niemals durchkommen, schreibt es.

Nächster Artikel