Digitale Kinder werden erwachsen

Im Netz sind die Knoten durch Fäden verbunden. Das Wichtige am Netz aber sind die Löcher. Sie entscheiden, wozu ein Netz taugt. «The Fifth Estate» und «Disconnect»: zwei wichtige Filme zu zwei Seiten der digitalen Revolution im Netz. Julian Assange findet den Film über sich Mist und hat das Drehbuch ins Netz gestellt – auf […]

Zwei Anarchisten der Informationsgesellschaft

Im Netz sind die Knoten durch Fäden verbunden. Das Wichtige am Netz aber sind die Löcher. Sie entscheiden, wozu ein Netz taugt. «The Fifth Estate» und «Disconnect»: zwei wichtige Filme zu zwei Seiten der digitalen Revolution im Netz. Julian Assange findet den Film über sich Mist und hat das Drehbuch ins Netz gestellt – auf Wikileaks.

Aus aktuellem Anlass

Die Pathé-Kinos wollten gleich zwei Filme zur digitalen Neuzeit starten: «The Fifth Estate» beleuchtet die Geschichte von Wikileaks und seinem Initiator Julien Assange. In «Disconnect» wird ein authentischer Fall eines Cybermobbings unter Jugendlichen aufgerollt. Jetzt ist nur ein Film im Programm. Warum?

Die traurige Nachricht dahinter: «Disconnect» kann erst im Frühjahr in den Kinos gezeigt werden: Der Verleiher Rialto-Film meldete im August Insolvenz an und kündete die Einstellung ihrer Verleiher-Aktivitäten in der Schweiz an. Dennoch, aus aktuellem Anlass der Vergleich der beiden Filme. Bereits bei uns im Kino  «The Fifth Estate». Am 31. 1. folgt «Disconnect».  

Überwachung verso Enttarnung. 

Beide Filme haben die digitale Neuzeit im Fokus. Beide Filme gehen der Frage nach: Welche Formen von Whistleblowing, Bespitzelung, Cyberterror und Shitstorm macht die globale Vernetzung möglich: Im Netz sind die Knoten durch Fäden verbunden. Das Wichtige am Netz aber sind die Löcher. Sie entscheiden, was darin hängen bleibt: Gemobbte Kinder und entlarvte Whistleblower.

Überwachung verso Enttarnung. 

Der Wikileaks – Filmtitel «The Fifth Estate» spielt auf den «Tiers état» an. Damit bezeichnete man in der französischen Revolution die Klasse der Nicht-Privilegierten. Die ersten zwei Minuten des Vorspanns von «The fifth estate» stellen denn auch bestechend genau dar, dass eine neue politische Kraft mit neuen Mitteln in den politischen Welthandel mit Informationen eingreift. Als Melodram. Als Mainstream-Thriller. Politisch ist das nicht wirklich. Aber es bietet einen Einblick in eine lebendige Subkultur. Wer das Drehbuch lesen will, kann das bei Wikileaks tun. Die Debatte ist eröffnet: Eine neue Macht greift nach der Handelsware Information. Welches ist die neue, revolutionäre Auffassung von Wahrheit?

Big Brother ist watching Brave new World – Die Kehrseite der Bespitzelung ist der Whistleblower.

Die digitalen Medien sind in allen Lebensbereichen im Vormarsch. Die Informationsindustrie ist längst eine Weltmacht. Seit die USA Geheimdienste privatisiert hat, sehen die einen die Privatheit durch Überwachung in Gefahr, die anderen sehen in den Infromationslawinen eine Chance, dass Machtwissen bald nicht mehr in den Händen weniger konzentriert bleiben kann.

Das Cybermobbing ist in den sozialen Netzwerken inhärent

Im Cybermobing – Film  «Disconnect» finden die drei Jungs im Netz ihre Kontakt- und Ausschlussbörsen: Was oberflächlich wie ein normaler Umgang von Jugendlichen mit sozialen Netzwerken aussieht, ist in Wahrheit eine Welt, die den Eintritt nur Auserwählten gewährt. Geräte, Software, Kennwörter schaffen in den Netzwerken versteckte Aufnahme-Bedingungen. Mit  Geheimsprachen, verschlüsselten Codes, Kennwörtern, dient jedes Netzwerk dazu, letztlich die Verantwortung zu delegieren. Für ein Cybermobbing reicht ein Maus-Click. Eine Lüge über ein Mobbingopfer braucht nicht einmal mehr erfunden zu werden. Es reicht, wenn eine Wahrheit nicht ins rechte Licht gerückt wird.

Im Netz gefangen oder vom Netz vergöttert?

Bei «Disconnect» ist eigentlich alles im Eröffnungssong von AWOLNATION gesagt: Maybe I should cry for help. Maybe I should kill myself! Früher konnte ein Mobbing beginnen, wenn zwei über einen abwesenden Dritten redeten. Wer als Vierter dazu stiess, konnte, ohne es zu merken, das entscheidende Bindeglied zu einer Tat sein. Das Opfer konnte später nur selten einen Täter benennen.

Heute kann digitales Mobbing mit einem einfachen Mausklick beginnen. Anonym. Unsichtbar. Einsam. Tödlich. Im Netz sind Täter nur schwer zu eruieren. Was einmal im Netz angeklickt ist, führt oft ein bedrohliches Eigenleben.

Das Bepitzeln des Eisbergs macht alle Mitläufer zu potentiellen Staatsfeinden

Aber ein Mauskllick kann auch ganz andere Konsequenzen haben. War es früher wachen Mitläufern kaum möglich, ihr Wissen über die Mächtigen weiterzugeben, hat heute jeder Bankmitarbeiter mehr Zugang zu sensiblen Daten der Chefs als früher etwa der Chef selbst. Eigentlich darf es also niemanden überraschen, dass in «Fifth Estate» die Machthaber entdecken müssen, dass sie überwacht werden. Wikileak hat ja auch nicht nur diese Spionage an den Tag gebracht. Wikileak hat eine weit grössere Furcht bei den Mächtigen geweckt: Dass der Machtapparat undicht sein könnte, wenn plötzlich alle Mitläufer irgendwann einmal zu möglichen Kronzeugen werden könnten, oder ganz einfach, zu geschützten anonymen Whistleblowern – die Kehrseite der Bespitzelung drängt ans Licht.

Mehr zu beiden Filmen lesen sie im Lichtspiele-Blog.

«Disconnect» wird ein authentischer Fall eines Cybermobbings unter Jugendlichen aufgerollt. Beide Filme haben die digitale Neuzeit im

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