Die diplomatische Krise zwischen der Türkei und dem Vatikan nach Papst Franziskus‘ Äusserungen zum «Völkermord» an den Armeniern im Osmanischen Reich droht sich zu verschärfen. Der türkische Aussenminister Mevlüt Cavusoglu stellt weitere Schritte in Aussicht.
Die Schritte gegen den Vatikan würden nach entsprechenden Beratungen öffentlich gemacht, sagte Cavusoglu bei einem Besuch in der Mongolei, berichtete die Zeitung «Hürriyet Daily News» am Montag. Ankara hatte nach Äusserungen von Papst Franziskus bereits den türkischen Botschafters im Vatikan zurückgerufen.
Die Bemerkungen des Papstes «seien null und nichtig für das türkische Volk». Der Ausdruck «Völkermord», den der Papst benutzt hatte, sei ein «rechtlicher Begriff», der in diesem Fall nicht gedeckt und daher «nichts als Verleumdung» sei.
Auch der Chef der türkischen Religionsbehörde Diyanet, Mehmet Görmez, kritisierte Franziskus scharf. Es sei «erschütternd, dass politische Lobbys und PR-Firmen ihre Aktivitäten auf religiöse Institutionen ausgedehnt» hätten, sagte Görmez.
Wenn die Gesellschaften anfingen, sich über vergangene Leiden gegenseitig Fragen zu stellen, «dann wird der Vatikan mehr leiden als sonst jemand».
Support vom Aussenminister
In Italien stellten sich dagegen eine Reihe von Politikern hinter Papst Franziskus. Aussenminister Paolo Gentiloni wies nach Angaben der Nachrichtenagentur ANSA die «ungerechtfertigten Töne» aus der Türkei zurück. Im Vatikan allerdings hüllte man sich in Schweigen. Laut ANSA gibt es keine offizielle Stellungnahme zu den Vorwürfen aus der Türkei.
Papst Franziskus hatte am Sonntag bei einer Messe im Petersdom gesagt, die erste der drei grossen Tragödien des vergangenen Jahrhunderts habe die Armenier getroffen und gelte «weithin als erster Völkermord des 20. Jahrhunderts».
Nach armenischen Angaben fielen zwischen 1915 und 1916 bis zu 1,5 Millionen Angehörige der Minderheit einem Völkermord zum Opfer. Die Türkei als Rechtsnachfolgerin des Osmanischen Reiches weist diesen Begriff entgegen der Meinung zahlreicher Historiker kategorisch zurück.
Beobachter in der Türkei sehen im Streit mit dem Vatikan Wahlkampfmunition für die Regierungspartei AKP – die hinter Präsident Recep Tayyip Erdogan steht – für die im Juni stattfindenden Parlamentswahlen.