Beim Informatikprojekt INSIEME der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) ist es zu schweren Verstössen gegen Beschaffungsrecht gekommen. Die Hauptverantwortung trägt ESTV-Direktor Urs Ursprung. Er wurde von Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf freigestellt.
Die Vorsteherin des Eidg. Finanzdepartements (EFD) hatte im Januar 2012 eine Administrativuntersuchung zur Beschaffung von INSIEME angeordnet. Der Bericht wurde am Dienstag veröffentlicht. Er kommt zum Schluss, dass die Verantwortlichen trotz wiederholter Aufforderung durch die Departementsführung bewusst und über längere Zeit gegen Vorschriften des Beschaffungsrechts verstossen haben, wie das EFD am Dienstag mitteilte.
Filz in IT-Abteilung
Unter anderem wurde das Projekt unzulässigerweise in einzelne Aufträge unterteilt, deren Volumen jeweils knapp unter dem Schwellenwert für WTO-Ausschreibungen lagen. Zudem wurden Unterschriftenregelungen nicht immer eingehalten.
Entgegen den geltenden Regeln wurden Aufträge über 50’000 Franken nicht von einem Mitglied der Geschäftsleitung, sondern vom Leiter der untergeordneten Sektion LBO gezeichnet. Dieser ist Aktionär einer Firma, die mehrere hundert Flachbildschirme an die ESTV lieferte. Auch sonst förderte die Untersuchung zahlreiche persönliche Verflechtungen zwischen Lieferfirmen und dem Chef LBO zu Tage.
Dies nährte den Verdacht, dass den Firmen überhöhte Gewinnmargen verschafft wurden, wodurch dem Bund ein Schaden entstand. Die Bundesanwaltschaft leitete deshalb ein Strafverfahren ein. Der Chef LBO wurde am 12. Juni verhört, an seinem Wohnort und in seinem Büro wurden Hausdurchsuchungen durchgeführt.
Gegen Ursprung läuft kein Strafverfahren, er trägt gemäss dem Bericht aber die volle administrative Verantwortung. Die Verstösse seien gestützt auf einen bewussten Entscheid des ESTV-Direktors erfolgt. Dessen Aufgaben übernimmt interimistisch sein Stellvertreter Samuel Tanner.
Das Parlament hatte INSIEME 2005 genehmigt und 71 Millionen Franken dafür gesprochen. Mit dem Ersatz der Informatiksysteme Molis und Stolis und der vollständigen Erneuerung der IT sollten die Arbeitsabläufe bei der Steuerverwaltung vereinfacht werden. Zudem sollte das Programm den Steuerzahlenden einen einfachen und transparenten elektronischen Direktzugriff ermöglichen.