Django Unchained

Es weht immer ein Hauch Nostalgie durch das Kino von Quentin Tarantino. Es weht ein stark nostalgischer Duft durch den Lichtspiel-Saal. Wie damals, als die Technicolor-Schrift auf Breitleinwand zu Musik von Ennio Morricone uns verzückte – das lässt uns instinktiv nach rechts an die Jackentasche nach unserem Sixpack greifen, das im Kino Union in den […]

Es weht immer ein Hauch Nostalgie durch das Kino von Quentin Tarantino.

Es weht ein stark nostalgischer Duft durch den Lichtspiel-Saal. Wie damals, als die Technicolor-Schrift auf Breitleinwand zu Musik von Ennio Morricone uns verzückte – das lässt uns instinktiv nach rechts an die Jackentasche nach unserem Sixpack greifen, das im Kino Union in den Siebzigerjahren obligatorisch aus sechs Dingen bestand:  Papierchen, Tabak, Streichhölzer, Filter, das rote Schülerbüchlein, und noch so was, in Alufolie eingewickeltes. Die Sperrholzrücklehne vor uns war übersät mit schwarzen Punkten. Für Kippen und Asche war der Boden vorgesehen. Er wurde aber auch für anderes genutzt. Über den Köpfen hingen dichte Rauchschwaden, in denen der geübte Zuschauer an den Lichtzuckungen im Nebeldunst sehr wohl erkennen konnte, wann die Werbung zu Ende war und der Corbucci endlich begann:

Breit wie die Leinwand tauchten die Ganoven vor uns auf. Ein Hauch von Anarchie wehte durchs Kino. Jeder Schuss ein Treffer. Jeder Galgen eine Zirkusnummer. Jeder Tote schrie nach mehr Gerechtigkeit. 

Tarantino holt uns genau dort wieder ab. Er schiebt bloss neue Kulissen hinter die Schiessereien. Vor diesem Hintergrund entwickelt er dann seinen üblichen Mix von ironischem Rassismus, Sozialdarwinismus, Machismus, und serviert alles mit einer dicken Prise Splatter. «Django» holt den einzigen Bürgerkrieg, den Nordamerika verpasst hat, als Spagettiwestern nach, jenen  Bürgerkrieg, den die Sklaven gegen die Skalvenhalter erstaunlicherweise nie geführt haben: Bei Tarantino findet er statt.

Mitten in einer Liebesgeschichte, und, von einem Einzelgänger geführt, der am Schluss sogar unbehelligt davonkommt, wird die Welt verändert. Dazwischen lässt Tarantino seinen Lieblingsschauspieler Christoph Waltz mit zauberhaftem Altenglisch brillieren. Zwischendurch darf er auch mitten im Film eine Theorie der Rollengestaltung im Film entwickeln. Oder er lässt ihn (den Österreicher) über deutsche Kultur palavern, in der Brunhilde ein seltener Name ist, für eine Frau, für die der Held durch sieben Höllen geht. So viel Dekonstruktion muss sein.

Verbunden mit viel Splatter-Rassismus, amerikanischer Rachelust und stark cinephilem Humor präsentiert uns Tarantino über zweiundeinehalbe Stunden altvertraute Western-Kurzweil. Ein echter Tarantino eben, der nie kopiert und doch immer unnachahmlich nachahmt.  Reich an Zitaten. Voll von Bezügen. Überladen mit politischer Inkorrektheit. Selbst Anleihen bei den Originalen zitiert «Django» kenntnisreich, und lässt die Schauspieler dies genüsslich zelebrieren. Wenn dann Jamie Foxx als Django endlich zum letzen Rachefeldzug loszieht, darf auch Richie Havens, die Woodstock-Legende, nicht fehlen: «Sometimes I feel like a motherless Child».

Dann endet auch dieser Tarantino, wie es in den USA stets endet, wenn grosse Jungs auf dem Schulhof sich die Nüsse schleifen: In einem Blutbad. Danach verliert sich selbst Tarantino im Kitsch, den er zum guten Glück allerdings gar nicht mehr selber mitansehen muss, wird er doch bereits Minuten zuvor – in einer Nebenrolle agierend – höchstselbst von einer explodierenden Dynamitladung (als Geschnetzeltes segnant) in die Wüste geschickt. Dort regt uns – derart zerfetzt – auch sein Super-Hirn nicht mehr zum Denken an.   

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