Novak Djokovic will mit dem French-Open-Titel endlich diese Lücke in seinem Palmarès füllen. Im Final trifft er heute (ab 15.00 Uhr) auf einen Andy Murray, der so gut auf Sand spielt wie noch nie.
Djokovic unternimmt den vierten Anlauf, seinen Karriere-Grand-Slam zu vervollständigen. Seit 2011 ist er schon im Besitz von mindestens einer der Trophäen aus Melbourne, Wimbledon und New York. In Roland Garros scheiterte der Serbe aber 2012, 2014 und 2015 im Final. Obwohl Djokovic einigen Druck aushalten muss, sieht ihn Stan Wawrinka als Favorit gegen Andy Murray. «Wenn er sein bestes Niveau spielt, kann er jeden schlagen. Ich denke, er wird gewinnen.»
Djokovic sei dort, wo er sein wolle, meinte Wawrinka und spricht dabei den Formstand des Weltranglisten-Ersten an. Der 29-Jährige aus Belgrad marschierte zuletzt eindrücklich Richtung Final, obwohl er wegen der Regenunterbrüche ein schwieriges Programm hatte. Er stand vier Tage in Folge im Einsatz und profitierte erst am Samstag wieder einmal von einem spielfreien Tag. «Ich hatte gehofft, dass ich mich im Verlauf des Turniers steigern würde. Das ist mir gelungen», freute sich Djokovic.
Die letztjährige Finalniederlage gegen Wawrinka hat Djokovic meisterhaft weggesteckt. Seither hat er nur sechs seiner 87 Partien verloren und keine der 27, die er auf Grand-Slam-Stufe bestritt. Er dominiert die ATP-Tour auf beeindruckende Weise. Noch vor der Hälfte der Saison steht er schon als Teilnehmer bei den ATP-Finals fest. Der Sieg beim French Open würde ihn aber nochmals in eine andere Sphäre befördern. Er wäre dann Teil einer sehr exklusiven Gruppe von acht Spielern, die alle Grand-Slam-Turniere mindestens einmal gewonnen haben. Zudem würde er etwas erreichen, das selbst Roger Federer und Rafael Nadal nie gelungen ist: Alle vier Grand-Slam-Titel gleichzeitig zu besitzen.
Über die Perspektive, Geschichte zu schreiben, wollte sich Djokovic vor dem Final nicht äussern. Er sagte bloss: «Ich bin froh, dass ich mich wieder in die Position bringen konnte, das Turnier zu gewinnen.» Gegen Murray hat er 12 der letzten 14 Duelle gewonnen. Für einen Grand-Slam-Final dienen solche Statistiken, um die Favoritenrolle zu definieren. Die gehört ohne Zweifel Djokovic. Doch am Finaltag selber kann die Form, das Momentum und der Erfolgsdruck alles Vorherige rasch vergessen machen.
«Es geht für beide um viel»
Murray hat gegen Djokovic schon manche bittere Niederlage kassiert, aber auch drei seiner schönsten Erfolge gefeiert. 2012 bezwang er ihn auf dem Weg zum Olympiasieg und im US-Open-Final, 2013 im Endspiel von Wimbledon. Zuversicht kann der Schotte aus seiner momentanen Form ziehen. Im Halbfinal gegen Wawrinka zeigte er wohl eine seiner besten Leistungen auf Sand überhaupt. Das Masters-1000-Turnier von Rom gewann er vor drei Wochen dank einem Finalsieg gegen Djokovic.
Dass er in Paris dem Titel so nahe kommen würde, hätte Murray vor einigen Jahren nicht erwartet. Sand war mit Abstand die Unterlage, auf der er am schlechtesten zurecht kam. Erst im letzten Frühling gewann er seinen ersten Titel auf Sand. Und in diesem Jahr startete er mühevoll ins French Open, mit zwei Fünfsatz-Erfolgen. Im Halbfinal musste er nicht nur gegen Wawrinka kämpfen, sondern auch gegen das Publikum, das den Waadtländer lautstark unterstützte. Murray hat keinen einfachen Weg in den Final hinter sich.
Am Sonntag kann auch er sich mit einem Eintrag in die Tennis-Geschichtsbücher belohnen. Letztmals gewann 1935 ein Brite das French Open. «Es geht für beide um viel», gestand Murray vor seinem 10. Major-Final. Nur beim US Open 2012 und in Wimbledon 2013 ging er als Sieger hervor. Djokovic weiss, was ihn erwartet: «Wir haben einen ähnlichen Spielstil. Ich bin sicher, es wird viele Emotionen und zahlreiche lange Grundlinien-Duelle geben.»