DNA identifiziert Schützen in der Pariser «Libération»-Redaktion

Der mysteriöse Schütze von Paris ist durch einen DNA-Abgleich gefasst – und gibt der Polizei nun noch mehr Rätsel auf: Abdelhakim Dekhar war in den 1990er Jahren in einen blutigen Kriminalfall verwickelt, der bis heute Stoff für Filme und Bücher liefert.

Polizei-Foto des überführten Pariser Schützen Abdelhakim Dekhar (Bild: sda)

Der mysteriöse Schütze von Paris ist durch einen DNA-Abgleich gefasst – und gibt der Polizei nun noch mehr Rätsel auf: Abdelhakim Dekhar war in den 1990er Jahren in einen blutigen Kriminalfall verwickelt, der bis heute Stoff für Filme und Bücher liefert.

Der algerischstämmige, in Ostfrankreich geborene Dekhar bewegte sich damals in der linksautonomen Szene, behauptete aber später, er sei dort nur als Agent eingeschleust worden. Genauso rätselhaft wie sein Werdegang ist nun das Motiv für seine Schüsse vom Montag in Paris.

«Halb bewusstlos» wurde der 48-jährige Dekhar am Mittwochabend in einem Auto in einer Tiefgarage in Bois-Colombes nordwestlich von Paris aufgefunden. Mit Medikamenten wollte er sich laut Innenminister Manuel Valls offenbar das Leben nehmen.

Weil er sich Valls zufolge in den vergangenen Jahren «wahrscheinlich im Ausland» aufhielt, vermutlich in Grossbritannien, hatte ihn die französische Polizei bei ihrer Grossfahndung nicht auf ihrem Radarschirm. Erst der Hinweis eines Bekannten, bei dem Dekhar von Zeit zu Zeit wohnte, brachte die Ermittler auf seine Spur.

Motive liegen im Dunkeln

Die Motive von Dekhar, der am Montag einen Foto-Assistenten der linksliberalen Zeitung «Libération» schwer verletzt und dann auf eine Bank im Geschäftsviertel La Défense geschossen sowie einen Autofahrer als Geisel genommen hatte, lagen am Donnerstag noch weitgehend im Dunkeln. Mehrere Briefe wurden gefunden, die von den Ermittlern als «wirr» beschrieben wurden.

Von einem «faschistischen Komplott», den Verbrechen des «Kapitalismus» sowie der «Manipulation der Massen» durch «die Medien» war darin die Rede, wie der Pariser Staatsanwalt François Molins sagte. In einem anderen Text breitet er sich über die Konflikte in der arabischen Welt aus.

Als «dritter Mann» im Fall Rey-Maupin verdächtigt

In einem psychiatrischen Gutachten in den 1990er Jahren wurde kein «Anflug von Wahnsinn» bei Dekhar festgestellt, wie Molins versicherte – lediglich eine «Tendenz zu Fabulieren». Damals war er verdächtigt worden, der «dritte Mann» im Fall Rey-Maupin zu sein, der Frankreich im Oktober 1994 erschütterte.

Das junge Studentenpaar Florence Rey und Audry Maupin hatte nach einem missglückten Überfall, durch den sie sich Waffen besorgen wollten, drei Polizisten und einen Taxifahrer erschossen. Maupin starb durch Kugeln der Polizei.

Dekhar konnte damals nicht nachgewiesen werden, dass er an dem Überfall als «dritter Mann» beteiligt war. Er wurde aber zu vier Jahren Gefängnis verurteilt, weil er den beiden ein Gewehr besorgt hatte. Im Oktober 1998 kam er im Alter von 33 Jahren frei. Danach ist wenig über den Werdegang des Mannes bekannt, der nun 15 Jahre später in Paris um sich schoss.

«Rätselhafter, seltsamer Mann»

Unter dem Pseudonym «Toumi» war Dekhar Anfang der 1990er Jahre ein häufiger Gast in besetzten Häusern der radikalen Linken im Grossraum Paris; in dieser Szene bewegten sich auch Rey und Maupin. Zeugen beschrieben Dekhar damals als einen «Anstandswauwau» und «Mentor» für das Paar. Der damals 29-Jährige wurde beschuldigt, die Jugend der 19- und 23-Jährigen ausgenutzt zu haben, um sie zu manipulieren.

Während des Prozesses gegen Rey, die nie eine Erklärung zu den Hintergründen ihrer Bluttat abgab und 2009 nach 15 Jahren Haft aus dem Gefängnis kam, versuchte Dekhar erfolglos, das Gericht von seiner Geheimdiensttätigkeit zu überzeugen. Er habe im Auftrag des algerischen Geheimdienstes die linke autonome Szene unterwandern sollen, um mögliche Aktivisten mit Verbindungen zu algerischen Fundamentalisten ausfindig zu machen, sagte er.

Noch heute räumt Dekhars damalige Anwältin Emmanuelle Hauser-Phélizon ein, dass sie ihren «geheimnistuerischen» Mandanten nie wirklich durchschaut habe, der auch behauptet habe, Agent des französischen Geheimdienstes zu sein: «Das ist ein rätselhafter, seltsamer Mann. Ich habe nie genau gewusst, wer er ist.»

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