Zum Schutz von Kindern vor Pädophilen will das Parlament noch vor der Abstimmung zur Pädophilen-Initiative das Tätigkeitsverbot für Sexualstraftäter verschärfen. Der Nationalrat segnete am Dienstag wie zuvor der Ständerat eine Art indirekter Gegenvorschlag ab.
Die Beratung zur Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen» ist zwar bereits abgeschlossen und die Initiative bereit zur Abstimmung. Ungeachtet der Initiative haben sich nun National- und Ständerat bereits auf Verschärfungen geeinigt: Für Pädokriminelle soll es ein schärferes Tätigkeitsverbot sowie Rayon- und Kontaktverbote geben. Diese sollen beispielsweise bei Vergewaltigung oder Schändung möglich sein.
Während die Initiative ein rechtsstaatlich problematisches lebenslängliches Tätigkeitsverbot für verurteilte Sexualstraftäter verlangt, dauern die Verbote nach der Variante der Räte in der Regel maximal zehn Jahre. Die Gerichte haben aber mehr Spielraum; namentlich ist auch ein lebenslängliches Verbot möglich.
Abstimmungs-Vorgeplänkel
Geprägt war die Debatte im Nationalrat von abstimmungstaktischen Erwägungen. Die den Initianten nahestehende SVP warf dem Rest des Rates vor, mit der Verschärfung einzig die Initiative bekämpfen zu wollen.
«Eine Vorlage zu verabschieden und sie einige Monaten nach Annahme der Initiative wieder ändern zu müssen – das ergibt so keinen Sinn», sagte Lukas Reimann (SVP/SG). Natalie Rickli (SVP/ZH) warf dem Rat vor, er wolle die Initiative – falls sie den angenommen würde – nicht umsetzen.
Ursprünglich wollte der Nationalrat die verschärften Verbote nur für jene Delikte einführen, die von der Initiative nicht betroffen sind. Der Ständerat, der die Pädophilen-Initiative im Gegensatz zum Nationalrat immer abgelehnt hatte, hielt von diesem Vorgehen aber nichts und beschloss die Verschärfungen für alle Delikte.
Wenigstens den Spatz in der Hand
Dem schloss sich nun auch der Nationalrat an, und zwar mit 120 zu 65 Stimmen bei 3 Enthaltungen. «Wir schützen die Opfer am besten, wenn wir das Gesetz möglichst schnell in Kraft setzen», sagte Beat Flach (GLP/AG). Mit den Verschärfungen hätten die Befürworter der Initiative wenigstens den «Spatz in der Hand», sagte Andrea Caroni (FDP/AR).
«Der wirksame Schutz Abhängiger geht taktisch motivierten Winkelzügen ohne Wenn und Aber vor», sagte Karl Vogler (CVP/OW). Auch Justizministerin Simonetta Sommaruga warnte davor, das Ziel vor lauter Diskussionen über taktische Fragen aus den Augen zu verlieren: Wenn mit dem Gesetz gewartet werde, bedeute dies, den besseren Schutz von Kindern zu verzögern.
Inkraftsetzung vor Initiative
Da zwischen den Räten nur noch eine kleines Detail offen ist, dürfte die Vorlage noch in dieser Session abgesegnet werden. Eine direkte Verknüpfung mit der Initiative gibt es nicht, so dass es sich bei den Änderungen offiziell nicht mehr um einen Gegenvorschlag handelt. Damit wäre es möglich, sie in Kraft zu setzen, bevor die Initiative umgesetzt würde.
Carlo Sommaruga (SP/GE) gab als Sprecher der vorberatenden Rechtskommission an, die Verschärfungen könnten Anfang 2015 in Kraft treten. Die Abstimmung über die Pädophilen-Initiative könnte frühestens im Mai 2014 stattfinden.
Die Pädophilen-Initiative der Organisation Marche Blanche besprachen die Räte bereits in der Herbstsession. Die Kammern konnten sich aber nicht auf eine gemeinsame Abstimmungsempfehlung einigen: Der Ständerat lehnte ab, der Nationalrat versenkte in der Schlussabstimmung die früher beschlossene Ablehnung. Damit sprach er sich implizit für die Initiative aus.