In den USA, wo Ortschaften mit 800 Einwohnern aus drei Fast-Food-Restaurants, dem Post-Office und sieben Kirchen aller möglichen Ausrichtungen bestehen, weiss man, wie das Christentum mit der Todesstrafe vereinbar ist.
In den USA gibt es in der Gesellschaft von Menschen, die man nicht gut kennt, zwei absolute Tabu-Themen: Politik und Religion.
Politik deshalb, weil es nur zwei Haltungen, zahllose Unterinteressen und Einigkeit sogar selten unter zwei Demokraten gibt. Oder eben: Weil Politik Glaubenssache ist.
Religion dagegen lässt sich schwer diskutieren, weil sie, obwohl Glaubenssache, ganz konkret an Bibelzitaten aufgemacht wird. Die Grundausbildung in die ultrakonservativen Interpretationen erhält man in den USA nicht etwa in der Kirche, sondern am TV.
Dort überbieten sich puritanische «TV-Evangelists» meist spätnachts mit dialektischen Meisterstücken. Die machen dem verständnislosen Europäer ansatzweise klar, wie das fundamentale Christentum mit militantem Kapitalismus und all seiner Ungerechtigkeit klar kommt.
In einer schlaflosen Nacht bekam ich so auch erklärt, wie die Todesstrafe mit dem Christentum vereinbar wird. In der ursprünglichsten Form der Gebote – ich bin mir nicht mehr sicher, ob Hebräisch oder Aramäisch – heisst es nämlich, gaaaaaanz wörtlich übersetzt, gar nicht «Du sollst nicht töten», sondern «Du sollst nicht morden». Und der Staat tut mit der gerechten Tötung nur, was ebenfalls in der Bibel steht: «Auge um Auge, Zahn um Zahn».
Dem hatte ich nicht nur mangels Bibel-, Hebräisch- und Aramäischkenntnissen nichts mehr entgegenzusetzen. Ich war ab sofort für das Diskussionstabu dankbar.