Dzemaili in der ersten Schweizer Reihe

Blerim Dzemaili und das Nationalteam – eine sonderbar komplizierte Beziehung. «Eine, die nie richtig aufgeblüht ist», sagt Dzemaili selber über den schwierig zu definierenden Beziehungsstatus.

Für Blerim Dzemaili ist im Schweizer Team eine zentrale Rolle vorgesehen (Bild: sda)

Blerim Dzemaili und das Nationalteam – eine sonderbar komplizierte Beziehung. «Eine, die nie richtig aufgeblüht ist», sagt Dzemaili selber über den schwierig zu definierenden Beziehungsstatus.

Aber verglüht ist nichts, im Gegenteil. Im samstäglichen Duell gegen die Heimat seiner mazedonisch-albanischen Eltern gehört Dzemaili erstmals in einem entscheidenden Turniermoment zur ersten Schweizer Reihe. Es knistert und flackert wieder – so wie einst im Sommer 2007, als Dzemaili nach dem Titelgewinn mit dem FC Zürich davon träumte, Johann Vogel im Mittelfeld abzulösen.

Ein Kreuzbandriss im Knie vernichtete seine Pläne. In Bolton verlor der jugendliche Dzemaili nach seinem Abgang in Zürich zunächst den Halt, dann die Zuversicht. Im Dress des Nationalteams positionierte sich an seiner Stelle Gökhan Inler. Auch deshalb steht Dzemailis Palmarès auf Klubebene (sieben Trophäen in der Schweiz, Italien und der Türkei) in keiner Relation zur überschaubaren Bilanz in der SFV-Auswahl.

Ottmar Hitzfeld vertraute Dzemaili im Rahmen wichtiger Gelegenheiten nur im Notfall; in drei Jahren nominierte er den Regisseur lediglich für drei Wettbewerbsspiele. Im Juni 2013, ein Jahr vor der WM-Endrunde in Brasilien, waren die Zeichen der Resignation unüberseh- und unüberhörbar: «Ich kam eigentlich nie mehr richtig zurück, sondern renne meinem Ziel immer noch hinterher.»

Keine Nummer 10

Hoffnungen, Enttäuschungen, Dzemaili und das Nationalteam. «Es war wie verflixt. Irgendetwas kam immer wieder dazwischen.» Vor zwei Jahren fehlten beim Pfostenkopfball in der 121. Minute des WM-Achtelfinals gegen Argentinien ein paar Zentimeter zum totalen Glück. Zwölf Monate zuvor hatte ihn sein Manager davor bewahrt, im Frust den sofortigen Rücktritt zu veröffentlichen.

Montpellier, Stade de la Mosson, Sommer 2016, wenige Tage vor dem EM-Start gegen Albanien. Vladimir Petkovic schwört das Team ein. Dzemaili hört genau hin, sein Pulsschlag ist hoch, volle Konzentration, Anspannung. Der 30-Jährige steht nicht mehr abseits, er gehört plötzlich zum engsten Zirkel und weiss: «Ich bin zum ersten Mal kein Ergänzungsspieler mehr.»

Hinter ihm liegt nach eigener Einschätzung eine «sensationelle Rückrunde» mit Genoa. Sportlich war sein Klub in der Serie A nur Mittelmass, aber persönlich habe er Fortschritte erzielt. «Und wenn man viel Praxis in den Beinen hat, fällt vieles leichter.» Er habe den Schwung konserviert.

Das eigene gute Gefühl trog nicht. In den Tests gegen Belgien und Moldawien bewahrheitete sich die gute Form. Im kreativen Zentrum tat der Schwerarbeiter mit respektabler Übersicht und Finisseurqualitäten der auch schon unausgewogeneren Equipe gut; er war quasi die Nummer 8 auf der Position der 10.

Petkovics Erwartung

Die Schufterei in Italien könnte sich auszahlen, von den endlosen Kilometerläufen im Verein dürfte er während eines kräfteraubenden Turniers profitieren. Der Modellathlet will der Mannschaft helfen und seine Erfahrungswerte von zwei WM-Endrunden-Teilnahmen einfliessen lassen. «Ich bin fitter denn je und bereit, Verantwortung zu übernehmen», betont er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda.

Vladimir Petkovic kommentiert die Aufwärtstendenz der auffälligsten Figur der EM-Vorbereitung entsprechend wohlwollend: «Er hat in der Nationalmannschaft und im Klub viel Gutes gezeigt.» Ihm sei aufgefallen, dass Dzemaili «mit einem sehr klaren Kopf» eingerückt sei. «Er will unbedingt etwas zeigen.»

Vielleicht flammt die alte Liebe eine Dekade nach dem Einstand doch noch auf. Unter Umständen belohnt er sich selber dafür, nie aufgegeben zu haben, die Koffer trotz aus seiner Sicht unverständlicher Trainer-Entscheide nicht endgültig gepackt zu haben. Petkovic traut ihm diese Schubkraft zu: «Blerim besitzt sogar noch mehr Potenzial.»

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