Mit einem neuen juristischen Gutachten geht der Wirtschaftsdachverband economiesuisse gegen die Abzocker-Initiative vor. Dieses kommt zum Schluss, dass die Initiative zu weit gehe. Demgegenüber lasse der indirekte Gegenvorschlag den Aktionären mehr Freiheiten.
Der Gegenvorschlag nehme das Anliegen der Volksinitiative auf, Lohnexzesse zu bekämpfen, sagte economiesuisse-Geschäftsleiter Pascal Gentinetta am Dienstag vor den Medien in Bern. Er stelle aber die sinnvollere Lösung des Problems dar.
Der Verfasser der Studie, Wirtschaftsanwalt Peter Nobel, erklärte: „Die Initiative will ihre Ziele mit der Brechstange durchsetzen.“ Der Initiativtext sei rigoros und schränke den Handlungsspielraum der Aktionäre ein.
Als Beispiel nannte Nobel, dass die Initiative Abgangsentschädigungen grundsätzlich verbieten will, während sie mit dem Gegenvorschlag unter bestimmten Umständen möglich bleiben. Zudem schreibe die Initiative vor, dass die Aktionäre verbindlich über die Vergütung der Geschäftsleitung abstimmen.
Der Gegenvorschlag stellt es den Unternehmen frei, ob die Abstimmung bindend oder nur konsultativ sein soll. In der Praxis könne es sich ohnehin kein Unternehmen leisten, sich über einen konsultativen Entscheid hinwegzusetzen, argumentierte Nobel.
„Sonderstrafrecht“
Kritisch beurteilt der emeritierte Wirtschaftsrechtsprofessor darüber hinaus, dass die Initianten Widerhandlungen gegen ihre Bestimmungen unter Strafen stellen wollen. Dieses „Sonderstrafrecht“ sei unnötig, sagte er.
In anderen Bereichen wiederum geht der Gegenvorschlag gemäss dem Gutachten weiter als die Initiative. Das gelte insbesondere für die Rückerstattungen von ungerechtfertigten Entschädigungen. Der Gegenvorschlag sieht vor, dass Dividenden, Tantiemen und andere Gewinnanteile zurückerstattet werden müssen, wenn sie „in einem Missverhältnis zur erbrachten Gegenleistung“ stehen. Eine solche Bestimmung fehle in der Initiative, sagte Nobel.
Zur Sprache kam am Dienstag auch das zeitliche Argument gegen die Initiative: Der Gegenvorschlag könnte schneller in Kraft treten als die Initiative, deren Bestimmungen noch gesetzlich ausgearbeitet werden müssten, sagte Nobel.
Abstimmung am 3. März
Die Volksinitiative „gegen die Abzockerei“ kommt am 3. März zur Abstimmung – sechseinhalb Jahre nach ihrer Einreichung. Zu den zentralen Forderungen der Initianten um den Schaffhauser Unternehmer und heutigen Ständerat Thomas Minder gehört, dass die Aktionäre börsenkotierter Unternehmen jährlich über die Gesamtsumme der Vergütungen des Verwaltungsrats, des Beirats und der Geschäftsleitung abstimmen sollen.
Das Parlament beschloss, der Initiative einen indirekten Gegenvorschlag in Form einer Reform des Aktienrechts gegenüberzustellen. Im Falle einer Ablehnung der Initiative tritt Gegenvorschlag nach Ablauf der Referendumsfrist automatisch in Kraft.