Für seine Rolle als Stephen Hawking erhielt Eddie Redmayne, der am 6. Januar 33 Jahre alt wird, den Oscar. In seinem neuesten Film spielt er eine Frau: Erneut oscarwürdig?
Als Edward John David Redmayne für seine Verkörperung von Stephen Hawking 2014 den Oscar erhielt, sah man darin einen einmaligen Glücksfall. Verblüffend nah lagen Physis und Aussehen von Kopie und Original beisammen. Der Schauspieler selber betonte, dass er einfach im rechten Augenblick am rechten Ort gewesen sei.
Jetzt ist Redmayne zurück. In einer ganz anderen Rolle, in einer ganz anderen Zeit, an einem neuen Ort – aber mit seiner bewährten Kopier-Methode. Ein neuer Erfolg für das Glückskind?
Der Puer Aeternus im Filmgeschäft
«The Danish Girl» ist noch nicht in den Kinos angekommen, da wird der Film bereits mehrfach als Oscar-Kandidat gehandelt: opulente Optik, stilsichere Story, bravouröse Schauspieler. Zusammen mit der schwedischen Newcomerin Alicia Vikander glänzt darin vor allem der Brite Redmayne.
Beim Pressetermin von «The Danish Girl» in Venedig wirkte er zurückhaltend, scheu. In der Masse der Filmbegeisterten am Lido fiel er ohnehin nicht sonderlich auf: schmal, kleingewachsen und gleichbleibend jugendlich naiv. Der ewige Junge.
Dennoch gehört der 33-jährige Puer Aeternus bereits zu den erfahrenen Stars des Filmgeschäfts, und es ist ihm sogar schon einmal passiert, dass er zu alt war für eine Lieblingsrolle: In «Les Misérables» durfte er nicht den Jungen Gavroche spielen, sondern «nur» dessen älteren Freund.
Redmayne kennt den schonungslosen Kampf um eine Rolle: Er kommt vom Theater. Er, der studierte Kunsthistoriker, genoss Unterricht bei Simon Dormandy aus der Schule der «Royal Shakespeare Company», aus dem bedeutensten Stall der englischen Schauspiel-Elite. Für diejenigen, die Redmaynes Weg von der Bühne zum Film kannten, war es keine Überraschung, als er für seine Rolle in «The Theory of Everything» den Oscar als bester Hauptdarsteller erhielt. In London hatte er da schon mehrere Theaterpreise gewonnen (u.a. den «Laurence Olivier Award»).
Oscar-gewürdigt: Redmayne als Stephen Hawking in «The Theory of Everything».
Nach dem Oscar ist vor dem Oscar
Redmayne selber erklärt seinen Erfolg wie ein erfahrener Theaterhase: mit Arbeit. Für seine Verwandlung in den ALS-kranken Astrophysiker Stephen Hawking schaute er sich unendlich viele Dokumentationen über den Physiker an. «Ich will alles über meine Figuren wissen.» Aber Redmayne war nahe vor dem Abbruch der Dreharbeiten. Er hatte plötzlich Angst vor der Überprüfbarkeit: Jeder Zuschauer wird das Original vor Augen haben!
Doch Redmayne ist nicht nur ein grandioser Beobachter. Vor allem zeichnet Fleiss seine schauspielerischen Arbeiten aus: Für «Les Misérables» lernte er zum Beispiel singen.
Und für seine Verkörperung des Physikers Hawkings lernte er nicht nur Rollstuhlfahren. Er verband physische Ähnlichkeit und schauspielerische Performance: Er nutzte den Vorteil, dass die Chronologie des Filmes ihm die Eroberung der Figur Schritt für Schritt – im Fortschreiten der Krankheit – erlaubte. In den ersten Einstellungen konnte er seinen eigenen, schlaksigen Jung-Männer-Gang betonen, mit verstärkt schlenkernden Armen und einem leicht unsicheren Halt auf den Beinen. Langsam veränderte er, mit zunehmender Einschränkung, den eigenen Muskeltonus, den eigenen Atemrhythmus. Oscar-würdig.
Adaptiert langsam die neue Rolle: Redmayne in «The Danish Girl».
Lili – Erneut die Performance einer physischen Veränderung
Dann wurde Redmayne die nächste grosse Rolle angeboten: Lili Elbe. Der dänische Maler Einar Wegener war einer der ersten Transsexuellen, der sich in Deutschland Anfang der 1930er-Jahre einer geschlechtsangleichenden Operation unterzog. Heute ist er nahezu niemandem mehr bekannt.
Doch von Lili Elbe gab es keine Video-Samples. Wollte Redmayne seiner Methode treu bleiben, musste er auf die Suche gehen. Er fand Kontakt zu unzähligen Transgender-Paaren, sprach mit Transsexuellen. «Ich eigne mir mit jeder Rolle ein mir bislang unbekanntes Leben an.»
Diesmal war er auf kleine Beobachtungen angewiesen, und auf Spekulationen. Ähnlich wie für «Hawking» nähert er sich Schritt für Schritt seinem Rollen-Modell: Doch hier galt es nicht, das Fortschreiten einer Krankheit zu zeigen, Schritt um Schritt den Vorrat an kleinen Einschränkungen zu vergrössern.
Die Performance der Weiblichkeit
Für Lili Elbe galt: Aus einem männlich geschulten Körper einen weiblichen zu entwickeln. Redmayne zeigt das nahezu spielerisch. Einar spielt erst mit den Kleidern seiner Frau. Er steht für die Malerin Modell – als Frau. Er zieht ihr die Kleider im Liebesspiel aus – und sich selber an. Dann bewegt er sich auch in der Öffentlichkeit in ihnen. Als Lili. Redmayne lässt seine Lili die Handbewegungen der Damen der Gesellschaft nachahmen. Er schlenkert im Handgelenk, wirft die Hand in die Haare, ebenso, wie er sich zunehmend weichere Halsbewegungen aneignet. Die Veränderung geschieht auch hier schrittweise und vor laufender Kamera.
Wiederum ist – wie in «The Theory of Everything» – die Veränderung im Körper ein bewusster Teil der Performance. Lili Elbe wie Hawking wussten um die Veränderung ihres Körpers Bescheid. Beiden ist aber auch die Angst vor dieser Veränderung gemein.
Redmayne spielt diese schrittweise Aneignung des Körpers von Einar Wegener durch Lili Elbe wie eine sichtbare Geschlechtsumwandlung. Nicht zufällig spricht die Gender-Forschung von der Performance der Geschlechterrolle. Vor unseren Augen findet eine kleine Performance des geschlechtsspezifischen Bewegungskanons statt. Während der dänische Maler Einar Wegener 1930 wirklich in seinen Frauenkörper schlüpft, führt uns Redmayne die Dreissigerjahre-Performance dieser Geschlechtsumwandlung vor.
Der zweite Glücksfall?
Redmayne selber betont im Gespräch, es sei wiederum ein Glücksfall gewesen (damit meint er die Grösse der Rolle). Und doch würde er gern den Ruf eines Glückskindes verlieren. Auf die Frage, ob es erneut für einen Oscar reichen werde, antwortete er der Presse trocken: «Vielleicht als beste weibliche Hauptdarstellerin?»
Zwei erfolgreiche Jungstars: Eddie Redmayne und Alicia Wikander.
Zumindest für den Film ist er nicht das einzige zugkräftige Magnet. Bereits im Roman spielt der Autor David Ebershoff gekonnt mit der Steilvorlage der historischen Künstlerporträts. Aber auch die stilsichere Ausstattung von Eve Stewart oder Danny Cohen, der mit der Kamera den Pariser Zeitgeist und vor allem das umwerfende Licht der dänischen Jugendstil-Malerei einfängt, tragen zur Favoritenrolle bei, die der Film unter den Oscar-Nominierten einnimmt.
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«The Danish Girl» läuft ab dem 7.1. in den Basler Kinos.