Nach der Gedenkfeier von Mitte April hat der Bund die Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen zu einem Runden Tisch geladen. Der Verein «netzwerk verdingt», den ehemalige Verdingkinder gegründet haben, verweigert nun aber die Teilnahme.
Vereinspräsident Walter Zwahlen bestätigte auf Anfrage einen entsprechenden Bericht des «SonntagsBlicks». Die Gruppe sei ein «Amateurklub» und ein «untaugliches, parteipolitisches Konstrukt», sagte Zwahlen. Er stört sich insbesondere auch daran, dass Vertreter der katholischen Kirche am Tisch sitzen – einer Institution, die nicht bereit sei, die Geschichte aufzuarbeiten.
Die Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen pochen auf eine Entschädigung. «Uns geht es aber nicht nur ums Geld», betonte Zwahlen gegenüber der Nachrichtenagentur sda. «Mit Geld kann man unsere Kindheit nicht retten.» Die Betroffenen seien zum Teil schwer traumatisiert worden.
Im Gegensatz zu anderen Ländern, die Opfer von Zwangsmassnahmen entschädigten, präsentiere sich die Schweiz einmal mehr als «Sonderfall des hässlichen Kleinkrämers, der sich vor der Verantwortung drücken will», sagte Zwahlen.
Bundesratsdelegierter: kein Kommentar
Der Bundesrat will die Geschichte der Verdingkinder und anderer Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen historisch und rechtlich aufarbeiten. Entschädigungszahlungen blieben aber bisher ausgeklammert. Sie sollen aber am Runden Tisch thematisiert werden, wie Bundesrätin Simonetta Sommaruga am Gedenkanlass vom April festhielt.
Geleitet wird der Runde Tisch von alt Ständerat Hansruedi Stadler. Er wurde im Dezember vom Bundesrat zum Delegierten für die Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen ernannt und soll sich um sämtliche offenen Fragen kümmern. Zur Weigerung der ehemaligen Verdingkinder, am Runden Tisch teilzunehmen, wollte Stadler am Sonntag auf Anfrage der sda keinen Kommentar abgeben.
Laut Vereinspräsident Zwahlen steht noch kein konkreter Termin für den Runden Tisch fest. Bei den Teilnehmern sei im April eine Terminumfrage für ein Treffen Mitte Mai gestartet worden.
Entschuldigung der Regierung
Justizministerin Sommaruga hatte sich am 11. April an einem Gedenkanlass in Bern im Namen der Landesregierung bei ehemaligen Verdingkindern und allen anderen Opfern von Zwangsmassnahmen entschuldigt. Am Anlass nahmen rund 700 Betroffene teil.
Im Jahre 2010 hatte sich bereits Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf bei Opfern fürsorgerischer Zwangsmassnahmen entschuldigt. Damals ging es in erster Linie um Menschen, die ohne Gerichtsurteil «administrativ versorgt» wurden.